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Jazz-Know-How Diese Jazzmusikerinnen müssen Sie kennen

Ella Fitzgerald und Billie Holiday gehören zu den berühmtesten Jazzmusikerinnen der Geschichte. Aber Jutta Hipp? Blanche Calloway? Es gibt viele weitere bedeutende Künstlerinnen, die den Jazz geprägt haben. Hier zehn, die Sie kennen sollten.

Billie Holiday | Bildquelle: Billie Holiday

Bildquelle: Billie Holiday

Lil Hardin Armstrong (1898-1971): Die Zielstrebige

"Ich stand am Fuß der Leiter, hielt sie fest und sah ihn nach oben klettern." Der kometenhafte Aufstieg von Trompeter Louis Armstrong, mit dem Lillian Hardin von 1924 bis 1938 verheiratet war, gelingt auch dank ihrer weitsichtigen Planung. Die Pianistin und Komponistin brachte das Knowhow einer musikalischen Hochschulausbildung in King Olivers Creole Jazz Band ein, erkannte im 2. Trompeter Louis Armstong ohne Ehrgeiz das Potential und brachte ihm das Notenlesen bei. Sie verpasste ihm ein neues Outfit und riet ihm, sich in New York Fletcher Henderson anzuschließen, wo er berühmt wurde. Sie bereitete in Chicago mit ihren Dreamland Syncopators das Comeback vor. Aus ihrer Band gingen seine epochalen Studioformationen Hot Five und Hot Seven hervor, die sie mit zündenden Themen wie "Struttin‘ With Some Barbecue" und "You’re Next" prägte.

Lil Hardin in der #Challenge1923

In der mit dem Deutschen Jazzpreis augezeichneten Webdoku #Challenge1923 interpretieren Roger Rekless, Eva Ahoulou und Matthias Bublath "Where Did You Stay Last Night" von Lil Hardin Armstong neu. Dazu Songs von Bessie Smith und Josephine Baker.

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You're Next

Sweet Emma Barrett (1897-1983): Die Unverwüstliche

Sweet Emma Barrett gehörte neben Lovie Austin und Lil Armstrong zu den ersten, noch im 19. Jahrhundert geborenen Jazzinstrumentalistinnen, die in einer von Männern dominierten Szene erfolgreich waren. Ihr Stern ging aber erst in den 1960er Jahren auf, als sie mit ihrer eigenen Band und ihrem lebendigen, urwüchsigen Klavierstil und Gesang Scharen von Besuchern in die "Preservation Hall" von New Orleans lockte, als lebende Legende aus den Anfangstagen des Jazz. Ihr rotes Käppi und ihre an ein Strumpfband befestigten Glöckchen, mit denen sie die Songs begleitete, trugen ihr den Spitznamen "Bell Gal" ein. Trotz eines Schlaganfalls, der sie 1967 linksseitig lähmte, trat sie bis zu ihrem Tod auf - eine Symbolfigur der Unverwüstlichkeit und Vitalität des New Orleans Jazz.

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I AIN'T GONNA GIVE NOBODY NONE OF MY JELLY ROLL - Sweet Emma Barrett

Blanche Calloway (1902-1978): Die Bandleaderin

Sie gilt als erste Frau, die ein reines Männerorchester leitete, das sie zunächst "Joy Boys" nannte und dem mit Größen wie dem Saxophonisten Ben Webster und dem Posaunisten Vic Dickenson auch einige der besten Musiker der Swing-Ära angehörten. Als Entertainerin war die Sängerin und Tänzerin ebenso begabt wie ihr jüngerer Bruder Cab Calloway, doch während seine Musik auf unzähligen Filmen und Tonträgern dokumentiert ist, passen fast alle ihre Aufnahmen auf eine CD, und auch ein Video sucht man vergebens. Dabei hat Cab sich einiges von ihr abgeschaut, zum Beispiel sein legendäres "Hi De Ho". Auf Blanches erster Platte wurde sie 1925 von Louis Armstrong begleitet, doch schon 1935 machte sie ihre letzte, obwohl ihr Orchester noch bis 1938 bestand und sie während des 2. Weltkriegs ein Frauenorchester leitete.

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Blanche Calloway - Just a Crazy Song & I Need Lovin, 1931, 1934

Mary Lou Williams (1910-1981): Die Vielseitige

Sie war für die Jazzfrauen ihrer Zeit das Rollenmodell schlechthin und war den anderen in vielen Stilen immer einen Tick voraus. "Meinen Stil kann man nicht definieren. Ich ändere ihn ständig", meinte die Jazzpianistin. Als "Lady Who swings the Band" bei Andy Kirk war sie Mitschöpferin des Kansas City Swing. Sie schrieb Bigband-Arrangements für Benny Goodman und Duke Ellington und war Wegbereiterin des Bebop. Ein religiöser Weckruf brachte sie vorübergehend zum Verstummen, doch sie kehrte, die Musik als Gebet betrachtend, zum Jazz zurück. Mit einer Reihe christlich inspirierter Werke, darunter "Black Christ of the Andes", trug die Katholikin dazu bei, den Jazz von seinem sündigen Ruf zu befreien und die Kirche für ihn zu öffnen. Ihr Credo lautete: "Jazz nährt die Liebe und heilt die Seele."

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St. Martin de Porres

Billie Holiday (1915-1959): Die Tragische

Mit sparsam gewählten Tönen traf "Lady Day" stets die Essenz eines Songs. Und sie konnte selbst aus mittelmäßigen Songs Meisterwerke machen. Ohne den Scatgesang zu bemühen, improvisierte sie instrumental, indem sie Worte rhythmisch genial platzierte, und ihnen durch die ergreifende Ausdruckskraft ihrer Stimme Gehalt verlieh. Den erschütternden Song "Strange Fruit", der die Lynchjustiz an Schwarzen thematisiert, sang die Sängerin, die lebenslang bittere Erfahrungen mit Rassismus machte, seit 1939. Selbst am Ende ihrer Karriere, als der Umfang ihrer rau gewordenen Stimme auf wenige Töne beschränkt war, entstand große Kunst, ein Spiegel ihres Lebens, das von der Vergewaltigung mit zehn bis zur Verhaftung auf dem Sterbebett wegen Drogenbesitzes, überwiegend tragisch war.

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Billie Holiday - "Strange Fruit" Live 1959 [Reelin' In The Years Archives]

Ella Fitzgerald (1917-1996): Die Heitere

Mit ihrem enormen Stimmumfang und ihrer glänzenden Intonation war Ella Fitzgerald auf (mindestens) zwei Feldern nahezu unerreicht. Zum einen war sie die "First Lady Of Song". Als Interpretin des Great American Songbook, etwa in den Cole Porter oder George Gershwin gewidmeten Alben, nahm sie sich wenige Freiheiten, ließ die natürliche Wirkkraft der Melodien bestehen, fast so wie der Komponist sie geschrieben hatte. Durch noble Zurückhaltung entstanden Interpretationen von beeindruckender Objektivität. Zum anderen war sie die Königin des Scat-Gesangs. Da nahm sie sich alle Freiheiten. Ungebunden an einem verständlichen Text konnte sie wie ein Instrumentalist improvisieren, mit unerschöpflicher Fantasie, mit untrüglichem rhythmischen Gespür und unermüdlicher Energie. Es war überschäumende Lebensfreude pur!

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Ella Fitzgerald- "How High The Moon/Epic scat" LIVE 1966 [RITY Archives]

Lena Horne (1917-2010): Die Vorreiterin

Ihr Stern ging auf, als sie 1943 im schwarzen Musical "Stormy Weather" den Titelsong unsterblich machte. Lena Horne war die erste Afroamerikanerin mit einem Langzeitvertrag bei einem Hollywoodstudio und war sechs Jahrzehnte als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin erfolgreich. Ihr Geheimnis? "Ich war einzigartig, weil ich den Typus einer schwarzen Frau darstellte, den die Weißen akzeptieren konnten. Ich verkörperte ihre Fantasien." Von Hollywood respektvoll behandelt und in teure Roben gehüllt, durfte sie zwar noch in weißen Filmen keine Hauptrollen spielen, doch sie erweiterte den Spielrahmen, der für Afroamerikanerinnen die Rollen von braven Mammies und unterwürfigen Dienstmädchen vorsah. Sie wurde ein Rollenmodell und eine zeitweise boykottierte Vorkämpferin der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

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Lena Horne - Stormy Weather (1943)

Marian Mcpartland (1918-2013): Die Vermittlerin

Die große britische Pianistin kam 1945 in die Vereinigten Staaten, nachdem sie Jimmy McPartland, den Kornettisten des Chicago Jazz, geheiratet hatte. Da ihr elf Jahre älterer Mann ein Hauptvertreter des traditionellen Jazz war, sie selbst aber eine moderne Pianistin mit klassischem Background und großem Wissen über Jazzgeschichte, hatte sie einen großen Radius und vermittelte mit Wissen, Können und Charme zwischen den stilistischen Lagern der zersplitterten Jazz-Szene. Das prädestinierte sie auch zur Journalistin. Von 1978 bis 2010, also über 30 Jahre, moderierte sie für NPR ihre Sendung "Piano Jazz", in der sie nur Musiker nicht nur interviewte, sondern mit ihnen musizierte, und dies dank ihrer Sensibilität und Vielseitigkeit über Stil- und Generationsgrenzen hinweg.

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Marian McPartland & Dave Brubeck - A Piano Jazz Special (2001)

Jutta Hipp (1925-2003): Die Auswanderin

Die Leipzigerin Jutta Hipp spielte in den 1950er Jahren die europäische Version des amerikanischen Cool Jazz auf Höchstniveau, wie das kontrapunktische Kleinod "What‘s New" belegt. Sie war die erste bedeutende Jazzpianistin Deutschlands, galt als "Europe’s First Lady In Jazz" und wagte 1955 die Übersiedelung in die USA. Ihre Karriere kam dort bald zum Erlahmen, nicht zuletzt wegen ihres Lampenfiebers und des damit verbundenen Alkoholproblems. Sie arbeitete dann als Zuschneiderin in einer Fabrik während sich die Kreativität der gelernten Grafikerin auf Malerei, Zeichnungen und Gedichte verlagerte. Die Gesamtausgabe "The Art and Life of Jutta Hipp" ihrer Biografen Ilona Haberkamp und Gerhard Evertz dokumentierte 2015 erstmals diese kaum bekannte Seite umfassend.

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What's New?

Carla Bley (1936-2023): Die Unkonventionelle

Carla Bley war eine faszinierend unkonventionelle Künstlerin, als Pianistin, als Bandleaderin, vor allem aber als Komponistin ebenso humorvoller wie vielschichtiger Werke. Geschichte schrieb die Künstlerin 1971 schon mit ihrer ersten Veröffentlichung unter eigenem Namen, ein unsubventioniertes, zweistündiges Mammutwerk, an dem über zwei Jahre lang gearbeitet wurde, auf eigenem Label - ein Wagnis. Eine "chronotransduction", eine Art Jazzoper! Etwas wie "Escalator Over The Hill" war noch nie da gewesen und auch nur am Schneidetisch zu vollenden. Alle Genres der Zeit, vom Free Jazz zu" Kurtweilligem", von indischer Musik zum Rock wurden hier experimentierfreudig verrührt, lange bevor das Sprengen musikalischer Grenzen alltäglich war.

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01 Hotel Overture

Sendungshinweis

Jazz und mehr am Weltfrauentag um 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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