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Bilanz – Salzburger Festspiele 2022 Ein flirrend funkelnder Musiksommer

Nach gut sechs Wochen voll mit Opern, Konzerten und Theateraufführungen neigen sich die Salzburger Festspiele nun dem Ende zu – und hinterlassen eine nahezu ausschließlich positive Bilanz.

Burgansicht der Stadt Salzburg | Bildquelle: imago/imagebroker

Bildquelle: imago/imagebroker

So gehen Festspiele! Alle drei Opern-Neuproduktionen an der Salzach waren ein voller Erfolg. Während etwa die Bayreuther Festspiele heuer szenisch, sängerisch und orchestral mit Wagners "Tristan und Isolde" sowie einem neuen "Ring des Nibelungen" ziemlich zu kämpfen hatten, zeigte Salzburg, was große, ja großartige Oper sein kann.

Castellucci und Currentzis schaffen ein Feuerwerk an Emotionen

Vor brennendem Feuer singt die Sängerin | Bildquelle: © SF / Monika Rittershaus Romeo Castellucci erfindet zu Béla Bartóks "Herzog Blaubarts Burg" buchstäblich flammende Bilder. | Bildquelle: © SF / Monika Rittershaus Das begann mit einem eigenwilligen, herausfordernden Musiktheater-Doppel: "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók und "De temporum fine comoedia" von Carl Orff. Gesamtkunstwerker Romeo Castellucci brachte zunächst eine präzise, im Dunklen, Düsteren angesiedelte Psychostudie zum Leuchten, dann folgte ein durchaus anstrengendes Ritual. Carl Orff ging es um die ersten und letzten Dinge, existentiell hämmernd wütete die Musik, Castellucci erfand dazu buchstäblich flammende Bilder. Mit viel Feuer und Tanz entstand eine archaische Welt samt der finalen Erlösung auch für Blaubart und Judith. Teodor Currentzis schuf mit dem Gustav Mahler Jugendorchester und drei Chören ein Feuerwerk an Emotionen und Klangereignissen.

Perfektes Opernkino bei "Il trittico"

Der in Salzburg lange Jahre eher ungeliebte Puccini wurde dank Regisseur Christoph Loy und Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker zum Triumph. Die drei Einakter "Il trittico" erzählen witzig von Erbschleicherei, berührend von Liebesverrat, ergreifend von Trauer und Verlust. Asmik Grigorian sang mit ihrem Wunder-Sopran alle drei weiblichen Hauptpartien und nicht nur da stimmte alles: ein opulentes Bühnenbild, hervorragende Personenführung und aus dem Graben perfektes Opernkino!

Neu gedeutete "Katja Kabanova" von Barrie Kosky

Szenenbilder "Katja Kabanova" bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus Barrie Kosky deutet Leoš Janáčeks "Katja Kabanova" neu und konzentriert aus. | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus Der dritte Salzburger Festspielstreich galt Leoš Janáčeks "Katja Kabanova". Einst legendär von Christoph Marthaler inszeniert, nun neu und konzentriert gedeutet von Barrie Kosky. Kosky gelang das Kunststück, die riesige Felsenreitschule zum perfekten Ort für ein Kammerspiel zu machen, auch durch Franck Evins kluge Lichtregie und eine Gruppe Puppen, die immer wieder neu im Raum positioniert wurden. Präzise Personenführung und der alle Nuancen der Partitur auskostende Jakub Hrůša am Pult der Wiener Philharmoniker sorgten erneut für reines Opernglück!

Barenboim und Pollini machen Sorgen

Sorgen machten einem diesen Sommer vor allem zwei Dinge. Daniel Barenboim ist seit einiger Zeit schwerkrank und wollte trotzdem ein Konzertprogramm mit dem jeweils zweiten Akt von Camille Saint-Saëns "Samson et Dalila" und Wagners "Parsifal" dirigieren. Er gab kaum Einsätze und hatte Mühe, die Noten umzublättern. Die Wiener Philharmoniker erwiesen sich hier wahrlich nicht als große Stütze und schlugen sich irgendwie durch. Brillant war einzig Elīna Garanča, die offenbar keinerlei Taktgeber braucht, um Dalila und Kundry mit ihrem lodernden Mezzo Leben einzuhauchen. Und der jeden Sommer in Salzburg gastierende, achtzigjährige Pianist Maurizio Pollini erlitt unmittelbar vor seinem Konzert eine Herzattacke, das geschockte Publikum wurde nach Hause geschickt.

Lea Desandre, Quatuor Ébène und Wolfgang Rihm bleiben in Erinnerung

Aus dem weiteren, sehr üppigen Konzertprogramm bleiben unter anderem der poppig-barocke Auftritt von Lea Desandre mit dem Ensemble Jupiter und das wunderbare Quatuor Ébène mit Janáčeks "Kreutzersonate" in Erinnerung – und eine Hommage an den wohl bedeutendsten Gegenwartskomponisten: Wolfgang Rihm.

Currentzis: künstlerischer Erfolg vs. umstrittene Sponsoren

Wie zu Vor-Corona-Zeiten wurde allerorten viel diskutiert und manchmal auch gestritten – nicht nur über Kunst, sondern zum Beispiel über die Rolle des Dirigenten Teodor Currentzis und sein in Russland ansässiges und von umstrittenen Sponsoren gefördertes Orchester musicAeterna. Künstlerisch war der Auftritt ein voller Erfolg, die Debatte wird sicherlich weitergehen. Eher deplatziert wirkte im Vorfeld der Festspiele eine Debatte um toxische Sponsoren in Salzburg, die erst dann wirklich einsetzte, als das Festival selbst längst die entsprechenden Überprüfungen und Schritte unternommen hatte. Festival-Bashing wurde für manche zum neuen, offenbar lukrativen Geschäftsmodell!

Salzburg 2022 - das war ein flirrender, funkelnder Festspielsommer, bei dem auch noch das Wetter weitgehend mitspielte. Fast alle Vorstellungen des berühmten "Jedermann" konnten am Domplatz stattfinden.

Sendung: "Piazza" am 27. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Dienstag, 30.August, 21:17 Uhr

Hager Albertine

Schauspieler- Monsterlesung: Dantes „Göttliche K.“

Interessante„Bildungschance“ mit auffallend vertraulicher Atmosphäre unter den Zuhörern!

Montag, 29.August, 10:11 Uhr

Onlineteam von BR-KLASSIK

Lieber Herr Tinn,
besten Dank für Ihren Kommentar. Wir haben ihn entsprechend unserer Netiquette (https://www.br.de/service/kommentare-netiquette-richtlinien-110.html) gekürzt und bitten Sie, sich künftig daran zu halten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Onlineteam von BR-KLASSIK

Samstag, 27.August, 16:36 Uhr

Tim Theo Tinn

Ein flirrend funkelnder Musiksommer

diese Ansicht überrascht: Aida, Zauberflöte enttäuschten viele, Katja Kabnova war semikonzertant, insgesamt nach vielen Rezensionen ein flaues Jahr. Da zweifelt man an den hier genannten pauschalen Belobigungen.

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