In der spektakulären Bergwelt der italienischen Abruzzen gönnt sich Hector Berlioz einen Wanderurlaub. Aus den Bergen kehrt der Komponist als anderer Mensch zurück – und mit einer besonderen Sinfonie im Kopf: "Harold in Italien".
Bildquelle: BR-Collage
Sommer 1831: Hector Berlioz sitzt beim Komponieren in der Villa Medici in Rom. Dieser kostenlose Aufenthalt ist die Zugabe zum gewonnenen Rompreis. "Nach dem Frühstück Ballspiel im Garten, dann Pistolenschießen auf die Amseln in den Lorbeerbäumen. Und jeden Abend ins Café." Natürlich ist es schön hier, aber Berlioz hat Langeweile. Und es ist ihm viel zu heiß. Er will raus aus der Stadt und macht sich auf in die wilde Bergwelt der Abruzzen.
Angenehm kühl ist es hier, auf tausend und, wenn er will, weit über zweitausend Metern Höhe. Endlich kann er wieder atmen. Er wandert – stundenlang, tagelang, wochenlang. Und er hat Lektüre dabei: romantische Gedichte von Lord Byron über die Pilgerfahrt des melancholischen Träumers Harold. Und plötzlich wird Berlioz selbst von der Melancholie gepackt, von der Sehnsucht nach der Einsamkeit, vom Drang, eins zu werden mit der Natur: "Ich lebe nicht in mir allein, ich werde ein Teil von dem, was mich umgibt. Mir schenkt das Hochgebirg ein Hochgefühl."
Mir schenkt das Hochgebirg ein Hochgefühl.
Berlioz notiert die ersten Melodien. Und schnell weiß er, wer seinen Pilger, seinen Wanderer musikalisch verkörpern soll: eine Bratsche. Eigentümlich herb sei dieses Instrument in der tiefen Lage und traurig-leidenschaftlich in der Höhe, so Berlioz. Und genau das braucht er für seinen Helden, der im ersten Satz von der bizarren Schönheit der Bergwelt verzaubert wird und sich im zweiten einer Gruppe von Pilgern anschließt. Harold wandert mit, verschmilzt mit der Gruppe – und löst sich dann wieder. Und die Pilger ziehen ohne ihn weiter. Das Abendständchen eines Dorfbewohners gibt dem dritten Satz dieser Sinfonie das Thema vor. Und im Finale gerät Harold sogar noch unter die Räuber.
Niccolò Paganini, der sich von Berlioz was für Bratsche gewünscht hatte, kann das Stück anfangs nicht leiden. Das sei doch nichts für einen Virtuosen: "Das geht nicht! Ich schweige hier viel zu lange, ich muss immerfort zu spielen haben!" Später leistet Paganini Abbitte. Er hat erkannt, was dieser "Harold" für Berlioz ist: eine Selbstfindung. Und eine Hommage an die fremdartige, erschreckende, faszinierende Bergwelt der Abruzzen.
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Berlioz: Harold en Italie ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Antoine Tamestit ∙ Eliahu Inbal
Sendung: "Allegro" am 29. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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