Mit der "Dornröschen" kann Isabelle Faust dem Violinkonzert von Ludwig van Beethoven himmlische Klänge in den hohen Lagen entlocken. Am Sonntag stellen sie und ihre Stradivari-Geige es in der Münchner Isarphilharmonie unter Beweis.
Bildquelle: Felix Broede
BR-KLASSIK: Beethoven war Pianist. Das Klavier war sein Alter Ego. Er hat auch Geige gespielt, hat im Bonner Orchester als junger Mann auch Bratsche gespielt. Wie vertraut war er wirklich mit dem Instrument?
Isabelle Faust: Er hat sich für sein Violinkonzert an seinem Freund Franz Clement orientiert. Der hatte wohl ein sehr zartes und elegantes Geigenspiel drauf. Das wird immer mal wieder in den Schriftstücken hervorgehoben. Offensichtlich hat er auch gern in den oberen Lagen gespielt. Er hat gewissermaßen einen eigenen Stil entwickelt und daran orientiert sich das Violinkonzert von Beethoven.
BR-KLASSIK: Ist es nicht auch deswegen eines der gefürchtetsten Werke für Geige, weil man da immer oben im Trapez rumturnt?
Isabelle Faust: Ich denke, es liegt nicht nur an den hohen Lagen. Wenn ich es negativ behaftet ausdrücke, könnte man sagen, dass das Stück etwas nackt ist. Jede falsche Note fällt direkt auf und stört den Gesamteindruck sofort. Das ist anders als beim Brahms-Konzert, wo es wilder zugeht und wo der Orchestersatz auch dicker ist. Bei Beethoven ist es so glasklar geschrieben, dass man wirklich ganz genau darauf achten muss, wo man seine Noten hinsetzt.
BR-KLASSIK: Bei elegant und fein denke ich durchaus an Isabelle Faust und auch an Ihr Instrument. Das ist eine besonders silbrige und helle Klangfarbe bei Ihrer Stradivari. Ist die Geige besonders gut geeignet für das Stück?
Isabelle Faust: Ich denke schon. Das ist die "Dornröschen" aus dem Jahr 1704. Es ist eine Geige, die sehr stark in die Eleganz hineinarbeitet und in den Himmel schweben möchte. Die ist nicht so bodenständig. Für bestimmtes Repertoire wünscht man es sich vielleicht anders, aber besonders für das Beethoven-Konzert eignet sie sich sehr gut, weil das Werk mit sehr viel Licht daherkommt.
BR-KLASSIK: Das ist eigentlich eher untypisch für Stradivari, oder?
Geigerin Isabelle Faust | Bildquelle: © Felix Broede Ich finde, dass das Helle und Goldene typisch ist für Stradivari. Was die Instrumente betrifft, ist eine Stradivari aber nicht wie die andere. Ganz und gar nicht. Die sind unterschiedlich zu betrachten. Jedes Instrument dieses unglaublichen Geigenbauers kommt mit einem eigenen Charakter daher. Meine Geige ist eben eine frühe Geige und hat vielleicht noch nicht so ganz diesen durchschlagenden, bombastischen Ton. Dafür hat sie aber sehr zielgerichtete Töne, fast schon Bläser-ähnlich. Es kommt mir so vor, als würde die Geige Beethoven in den Himmel tragen, wenn wir beide gut drauf sind. Das variiert auch von Tag zu Tag.
BR-KLASSIK: Für die Erdung sorgt die Pauke, könnte man sagen. Mir ist kein Beispiel bekannt, wo ein Komponist vor Beethoven der Pauke so einen tollen und wichtigen Dialog-Part gegeben hat. In den Violinkonzerten nach Beethoven ist das eigentlich der Standard, weil es dann alle machen. Die Pauke hat das erste Wort in diesem Konzert und ist immer wieder präsent.
Isabelle Faust: Es ist wirklich eine ganz ungewöhnliche Einführung mit diesen fünf Paukenschlägen zu Beginn. Wir werden nie erfahren, wie Beethoven darauf gekommen ist. Man könnte denken, dass es ein Weckruf für das Publikum und Orchester ist. Das Motiv zieht sich aber bis zum Schluss durch, bis zur Kadenz. Diese Paukenschläge kommen sehr oft vor, die sind hauptmotivisches Material. Die Pauke hat verschiedene Funktionen. Beethoven hat sich noch einen neuen Marsch ausgedacht, der dann plötzlich in der Kadenz erscheint. Das ist ein genialer Wurf.
Beethoven: Violinkonzert D-Dur op. 61
Dvořák: Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 "Aus der Neuen Welt"
Isabelle Faust, Violine
Bergen Philharmonic Orchestra
Leitung: Edward Gardner
Weitere Informationen zum Konzert am 28. April 2024 in der Münchner Isarphilharmonie finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 26. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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