Wir schreiben das Jahr 1925. Überall in Europa spielt man: Jazz. Oder was man dafür hält. Manchmal gehört das Wort Jazz nur zum Namen der Band oder meint nur Tanzmusik. Oft wird die Vokabel zwar nicht bemüht, doch mit Jazz hat es sehr wohl zu tun. Eine Blütenlese.
Bildquelle: Sepp Werkmeister
Sein Schüler, der große Trompeter Clifford Brown, war noch gar nicht auf der Welt, als der Pianist Sam Wooding mit seinem Orchester durch Europa tourte. Es war eine Sensation! Die meisten Besucher hörten bei seinen Auftritten erstmals ein richtiges schwarzes Jazzorchester. Wooding machte es seinem Publikum leicht, wie in Berlin entstandene Platten zeigen. Das Arrangement des Schlagers "O Katharina" spickte er mit lauter Zitaten aus Liedern, die die damalige Deutschen mit Sicherheit kannten, darunter "O du lieber Augustin", "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", "O Tannenbaum" und sogar "Die Wacht am Rhein".
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O Katharina!
Deutschland hatte freilich auch seine eigenen Jazzformationen, wie das Fisbach's Charleston-Orchestra, das hauptsächlich in Berlin auftrat. Normalerweise wird auf deutschen Schallplatten jener Tage noch wenig oder gar nicht improvisiert. Doch in "I never realized” wagt die Band einen richtigen Soloreigen. Geleitet wurde sie von Roger Fisbach, einem als Fischbach geborenen französischen Saxophonisten österreichischer Herkunft. Bevor er sein eigenes Orchester gründete, spielte er in der französischen Band Merry Makers von Edouard Margoulis und dem in Paris ansässigen britischen Orchester "Tom Waltham and his 'Ad Libs'".
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I never realised - Fisbach's Charleston-Orchestra (1925)
Deutschland hatte freilich auch seine eigenen Jazzformationen. Eine davon war das bei den Rundfunkhören beliebte Orchester von Bernard Etté. Hier spielt es den Jig Walk, der nach dem Motto "Doppelt genäht hält besser" auf dem Etikett als "Charleston Charleston" bezeichnet wird. Natürlich musste zu dieser Zeit immer ein neuer Charleston her. Doch dieser stammt von keinem geringeren als Duke Ellington, der selbst in Amerika noch gar nicht sonderlich bekannt war und den "Jig Walk" selbst erst 1926 eingespielt hat.
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Bernard Etté Orchester, Jig walk, Charleston von Duke Ellington, Vox Platte, 1925
Charleston war der letzte Schrei und hielt die Tänzer Europas in Atem. Den Savoy Orpheans, die Kapelle des Londoner Savoy Hotels, war es nicht genug, den Original-Charleston schlechthin, den "Charleston" von James P. Johnson, aufzunehmen. Ein Sprecher verkündet auf der Platte, dass die folgende Aufnahme den neuen Rhythmus durchgängig verwende.
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Charleston - Savoy Orpheans (1925)
Den Charleston-Rausch hatte vor allem die Tänzerin Josephine Baker ausgelöst. Das Stummfilmfragment wurde hier mit einer Aufnahme des amerikanischen Orchesters Isham Jones kombiniert.
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(1925) Josephine Baker dancing the original charleston
Wie aber eine französische Band 1925 Charleston spielte, zeigt das Grand orchestre du Moulin Rouge in "Pour danser le Charleston". Das ist nicht etwa eine Gebrauchsanweisung im Untertitel, sondern der Titel der Komposition von Maurice Yvain, dessen Chanson "Mon Homme" ein von Größen wie Billie Holiday und Dizzy Gillespie interpretierter Jazz-Standard wurde.
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Orchestre Moulin Rouge - Pour danser le charleston
Die Original Oslo Jazzband nahm im Februar 1925 das Stück "Nya Bondjazzen" auf, was man mit "Neuer Landjazz" oder "Neuer Bauernjazz" übersetzen könnte. Das Reizvolle an dieser Aufnahme ist, dass Jazz nicht als eine Art neue Popmusik aufgefasst wird, sondern als eine Volksmusik von anderswo, die mit einheimischen Volksmusikklängen eine Verbindung eingehen kann. Es klingt zwar nicht so, doch ist an der Aufnahme ein schwarzer US-Amerikaner beteiligt, und zwar der Banjospieler Russell Jones, der in Berlin aufwuchs und schon seit dem 1. Weltkrieg in Schweden arbeitete. In den 1920er Jahren spielte Jones im Revueorchester von Ernst Rolfs, der hier singt. Jones machte auch Platten unter eigenem Namen, doch sie scheinen sich nicht erhalten zu haben. 1959 starb er in Stockholm.
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Nya Bonnjazzen
Der dänische Jazzpionier Valdemar Eiberg war der erste, der ab 1924 in Dänemark Jazzplatten aufnahm. Die erste Session fand im August 1924 statt. Ursprünglich war Eiberg Banjospieler, aber als er Mitte 1923 seine Band gründete, war er zum Altsaxophon gewechselt und gehörte damit zu den Ersten, die in Dänemark Saxophon spielten.
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"Don't Take My Gal" Valdemar Eiberg's Jazz Band
Vincent Youmans war nicht besonders produktiv, aber von seinen 93 veröffentlichten Songs sind immerhin ein Fünftel Standards! Sein mittlerweile 100 Jahre alter Song "Tea For Two" aus seinem Musical "No, No, Nanette" findet sich in über 1000 veröffentlichten Jazzversionen und inspirierte sogar Schostakowitsch. Im Sommer 1925 spielte das Orchestre "Miami du Perroquet Bruxelles" eine der ersten ein.
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Orchestre Miami du Perroquet Bruxelles - Tea For Two - 1925
27. Februar: BR Klassik, 22.03 – 23.00, Eine Chronik des Jazz (50): "Doo Wacka Do” – Musik vom Februar 1925