BR-KLASSIK

Inhalt

Jug Bands Krug, Kamm, Kürbis und Kuchenform

Kuriose Instrumente: Waschbrett, Besenstil, Tonkrug. Letzterer war das wichtigste Utensil in sogenannten Jug Bands, denen er den Namen gab. Vor hundert Jahren hielten Jug Bands Einzug in die Plattenstudios. Mit dem einfachen Instrumentarium der armen Landbevölkerung mischten sie den Jazz auf. Urwüchsige Folklore gab der der großstädtischen Tanzmusik ein neues Klangbild.

Am 5. Februar 1949 spielt die Waschzuberband „The Ramblers“ auf einer Straße in Richmond, Virginia. | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Jugs waren meist bauchige Tonkrüge, manchmal aber auch andere Gefäße. Sie wurden als Blasinstrumente verwendet. Der Jug-Bläser erzeugte mit den Lippen tiefe Summtöne und hielt den Mund mit kurzem Abstand an den Krug, der als Resonanzboden diente. Er hatte in der Jug Band die Funktion, die der Tubaspieler in einer frühen Jazzgruppe einnahm. Wenn der Jug-Bläser geschickt war – geübte Spieler erzielen einen Tonumfang von zwei Oktaven – konnte er auch die Aufgaben der Posaunen übernehmen. Ein früher Tonfilm von Whistler‘s Jug Band zeigt die Jug-Spieler aus so großer Nähe, dass die Spieltechnik gut zu beobachten ist. Dass gleich drei Jug-Bläser zu sehen sind, scheint etwas Besonderes, doch schon für das Jahr 1904 sind Bands mit drei Jug-Bläsern in Florida nachgewiesen. Aber erst zwei Jahrzehnte später schafften es Jug Bands, aufgenommen zu werden. Die Pioniere in den Studios stammten aus den Staaten Kentucky und Tennessee.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Whistler's Jug Band - Folding Bed (AI Enhanced) RARE CUT | Bildquelle: Jitterbug Zombies (via YouTube)

Whistler's Jug Band - Folding Bed (AI Enhanced) RARE CUT

Mamie Smith, Clifford Hayes – Und wundersame Arzneien

Jug Bands spielen auch eine wichtige Rolle in der Geschichte des Blues. Die 1924 auf Platten vorherrschende Form des Blues war der Vaudeville Blues oder Classic Blues. Diese verfeinerte, meist von Frauen gesungene und Jazzmusikern begleitete Form des Blues, wurde in der Großstadt gepflegt und gab in den frühen Jahren ein einseitiges Bild des Blues ab. Doch ab 1924 wurde auch Country Blues mit einem Vierteljahrhundert Verspätung von den Plattenfirmen berücksichtigt. Abgesehen davon, dass hier meist Männer sangen, war die Instrumentierung eine andere. Saiteninstrumente und Mundharmonika waren sehr beliebt; oft begleitete sich der Sänger selbst auf der Gitarre. Auf Bluesplatten von 1924 erleben wir immer wieder, dass der Classic Blues um ländliche Elemente bereichert wird. Wichtig in diesem Zusammenhang sind gerade die Jug Bands, die seit dem frühen 20. Jahrhunderts bei Partys, ländlichen Picknicks und sogenannten „medicine shows“ beliebt waren. Bei diesen Shows mit Musik, Tanz und einigem Brimborium wurden möglichst wundersame Arzneien angepriesen. Der erste Musiker, dessen Jug Band aufgenommen wurde, war der Blues-Geiger Clifford Hayes. Er bekam bei seinem Plattendebut am 16. September 1924 Schützenhilfe von einer bekannten Vertreterin des Classic Blues, nämlich von Sara Martin, der "Famus Moanin‘ Mama". Daher heißt die Band auf dem Etikett der Schellackplatte mit dem "Jug Band Blues" auch Sara Martin’s Jug Band.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Sara Martin's Jug Band - Jug Band Blues

Ein Banjo mit einer Kuchenform als Klangkörper

Diese erste Platte mit einer aus Clifford Hayes (Violine), Curtis Hayes (Banjo) und Earl McDonald (Jug) bestehenden Jug Band spielte in einer von vielen möglichen Besetzungen. Eine Jug Band kann aber ganz unterschiedlich formiert sein. Prinzipiell war eine Jug Band eine Musikgruppe, die aus einem Jug-Spieler und einer Mischung aus Spielern traditioneller, einfacher und selbstgebauter Instrumente besteht. Bei diesen selbstgebauten Instrumenten handelt es sich um gewöhnliche, mitunter modifizierte Gegenstände, wie etwa ein Waschbrett, das man betrommelt, oder ein mit Papier bespannter Kamm, in den man hineinsummt. In den frühen Jug Bands wurden Gitarren und Mandolinen gespielt, deren kaputter Korpus durch große ausgehöhlte Kürbisse ersetzt worden war. Banjos wurden oft aus einem Gitarrenhals und einer Kuchenform gebastelt. Beliebte Melodieinstrumente waren auch Kazoos und Mundharmonikas.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Jerry O'Mine | Bildquelle: Teddy Bunn - Topic (via YouTube)

Jerry O'Mine

Die Jug Bands und der Jazz

Die zweite Jug Band, die es in ein Plattenstudio schaffte, war "Whistler’s Jug Band". Sie bestand am 25. September 1924 aus dem pfeifenden Gitarristen Buford "Whistler" Threlkeld, dem Geiger Jess Ferguson, dem Mandolinisten Willie Blac, und dem Jug-Bläser B.D. Tite. Man neigt dazu, die Jug Bands vor allem mit Folk Blues zu verbinden, doch auch große Jazzmusiker wie der Klarinettist Johnny Dodds musizierten mit solchen Gruppen …

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Memphis Shake, Dixieland Jug Blowers + Johnny Dodds

… oder griffen wie der Pianist und Komponist Clarence Williams selbst zum Jug und ersetzten schon mal dafür das Schlagzeug durch das Waschbrett

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

CLARENCE WILLIAMS JUG BAND CHIZZLIN' SAM on COLUMBIA 2829D

Immer noch lebendig – "Poor Man’s Jazz" als Gelenk zwischen Genres

Die Jug Bands hatten eine weitreichende Wirkungsgeschichte. Obwohl sie schon in den 1930er Jahren an Popularität verloren, hinterließen sie viele Spuren in den Sparten Blues, Jazz, Ragtime, Gospel, Country, Rock und Pop. Erben der Jug Bands sind die Skiffle Groups der 1950er Jahre und selbst so erfolgreiche Bands wie Mungo Jerry standen mit ihrem Hit "In The Summertime" in ihrer Schuld.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Mungo Jerry - In The Summertime ORIGINAL 1970

Auch heute noch bezeichnen sich etliche Gruppen als Jug Bands, auch wenn sie bisweilen gar keinen Jug-Spieler haben, vielleicht aber selbstgebasteltes Instrumentarium. Sie gelten als "Poor Man‘s Jazz" und überschreiten auf erfrischende Weise die Genregrenzen.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Jug Band Music Part 1

Sendung:

26. September Ein Chronik des Jazz (46) „Jug Band Blues” – Aufnahmen vom September 1924. Moderation: Benedikt Schregle. Manuskript und Auswahl: Marcus A. Woelfle

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player