Eine rätselhafte Situation sei das, so Dirigent Simon Rattle. Denn eigentlich könnte der Bau des neuen Konzerthauses beginnen. Eineinhalb Jahre dauert die von Markus Söder ausgerufene Denkpause nun an. Jetzt, nach der Landtagswahl, könnte sie zu Ende gehen. Bei einem Treffen im Münchner Werksviertel, dort wo der neue Saal einmal entstehen soll, fordert der Vorstand der Konzerthaus-Stiftung, Georg Randlkofer: Der Bau des neuen Konzerthauses muss im neuen Koalitionsvertrag enthalten sein.
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Nach der Wahl ist vor der Wahl – sagt man ja so. Ob das auch für die politischen Inhalte gilt, bleibt abzuwarten. Im Kultursektor steht mit dem geplanten Neuen Konzertsaal im Münchner Werksviertel ein besonderes, aber auch besonders heikles Thema auf Halde. Ministerpräsident Markus Söder hatte dem Leuchtturmprojekt ja eine vielfach zitierte "Denkpause" verordnet. Ob Söder die Zeit seither genutzt hat, um in sich zu gehen? Für die Befürworter ist klar: Stagnation ist kein guter Dauerzustand.
Es ist seltsam zu sehen, dass nichts passiert.
Bildquelle: picture alliance/dpa | Sven Hoppe "Es ist sehr seltsam, all diese Möglichkeiten und Vereinbarungen zu haben und zu sehen, dass nichts passiert", sagt Simon Rattle am Rande eines Treffens in München. "Das ist nicht das Bild, das wir von außerhalb von München haben, als eine unglaublich starke Kunststadt, die auch in die Zukunft blickt", und fügt mit dem ihm eigenen Schmunzel-Charme hinzu: "Es ist schon eine etwas rätselhafte Situation." Um dieses Rätsel zu lösen oder zumindest die etwas undurchsichtige Situation aufzuhellen, hat sich der Chefdirigent des BRSO mit der Stiftung Neues Konzerthaus München getroffen.
Die Konzerthaus-Stiftung hat klare Vorstellungen: Georg Randlkofer, Vorsitzender der Stiftung, bekräftigt, das Konzerthaus München müsse Bestandteil des neuen Koalitionsvertrags sein, so wie es auch im alten stand. "Wenn man eine zukunftsfähige Kulturpolitik betreiben will, dann brauchen wir so ein Haus, das weit hinausstrahlt in die Welt."
Aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst hört man aber diesbezüglich derzeit nichts; auf Anfrage des BR hießt es: Es habe sich nichts geändert, aktuell gebe es keinen neuen Stand, die Planungen liefen weiter. Bevor die Koalitionsvereinbarungen abgeschlossen seien, werde das Ministerium für Wissenschaft und Kunst dazu keine Stellung nehmen.
Die Stiftung hingegen hat ihre Hausaufgaben gemacht, die Denkpause genutzt und bereits 4 Millionen Euro gesammelt. Man könnte mehr sammeln, sagt Randlkofer, brauche aber Klarheit. Sie, so Randlkofer, seien bereit: "Wir haben jetzt ein fertiges Konzept und berechnete Kosten. Es ist alles im Detail geplant – bis zu den Bodenbelägen. Wir müssen jetzt die Staatsregierung auffordern, zu handeln."
Hat die Denkpause also jetzt ein Ende? Hat sich die alte und vermutlich neue Regierung in Bayern auch Gedanken zum Konzerthaus gemacht? Der Freistaat hat zumindest einen Vertrag mit dem Werksviertel mit Bauverpflichtung. Genaue Kosten gibt es noch nicht. Zuletzt gab es Schätzungen, dass das Leuchtturmprojekt eine Milliarde Euro kosten könnte. In Zeiten der Inflation und Sanierungs-Staus an allen (Theater-)Ecken eine Summe, die gründliche Überlegungen verdient. Allerdings ist damit auch ein Feld angeschnitten, das über die Zukunft der Kultur mitentscheidet: Wieviel ist uns Musik noch wert?
Das geplante Neue Konzerthaus in München ist daher nicht als reiner Konzerttempel gedacht, sondern als multifunktionale Begegnungsstätte. Konzerte neben Kneipen und Cafés, Proberäume neben Bibliothek – und alles digital vernetzt. Alle Veranstaltungen können gestreamt werden, weltweit, immer. Sogar digitalen Musikunterricht soll es geben, erklärt Anna Kleeblatt aus dem Vorstand der Stiftung. "Wenn in Hof oder in Würzburg eine Unterrichtsstunde ausfällt, dann kann sich eine Schulklasse digital ins Konzerthaus schalten und ein Musikpädagoge eine Stunde tollen Musikunterricht vermitteln." Das wird nicht zuletzt auch deshalb möglich sein, weil die Hochschule für Musik und Theater einen eigenen Studiengang unterbringen soll, der sich mit dem Thema Vermittlung befasst.
Ein Haus ist wie ein Instrument.
Bildquelle: BR / Astrid Ackermann Alle Klangkörper, die derzeit keine Heimat haben, könnten hier spielen, und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowieso. Für Marije Grevnik, die im BRSO am Pult der Ersten Geigen spielt, eine einmalige Chance: "Ein Haus ist wie ein Instrument. Wir sitzen im Saal. Der Saal klingt. Wir kriegen ein Feedback vom Klang und können diesen entwickeln." Außerdem könne man dann endlich Projekte machen, die für alle offen sind, was das Orchester bisher nicht umsetzen könne, sagt die Geigerin gegenüber BR-KLASSIK.
Diese Musik ist für alle da.
Wie war das nochmal mit vor und nach der Wahl? Das Leuchtturmprojekt war vor der Wahl von CSU und den Freien Wählern, aber auch von den Grünen und der FDP befürwortet worden. Auf der anderen Seite hat Bayern viele millionenteure Kulturbaustellen. Das Staatstheater Augsburg, das nicht fertig wird. Das Mainfranken Theater in Würzburg, das bis dato mehrmals die Eröffnung verschieben musste , die Neue Pinakothek in München, deren Wiedereröffnung 2029 angepeilt wird. Andererseits wäre die Klassik im Werksviertel – zwischen Jugendkultur, Bahnhof, Hotels und Wohnungen – etwas, was genau passt: eine gegenseitige Bereicherung. Oder, um es mit Simon Rattle zu sagen: "Diese Musik ist für alle da. Und es ist unsere Mission, sie zu allen zu bringen."
Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2023, ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (9)
Sonntag, 15.Oktober, 16:17 Uhr
charlie1
In München haben wir 3 Top-Orchester weltweit mit hoch bezahlten Dirigenten-Gagen, es muss was geschehen, sonst wird München
zur musikalischen Provinzstadt degradiert.
1. Gasteig renovieren, den großen Saal in der Architektur nicht verändern, man kann da die Akustik sicher optimieren, allerdings ist der Saal nicht für
Liederabende oder kleine Ensembles geeignet. Sooooooooo schlecht wie er gemacht wird ist der Saal nicht, es gibt keinen Grund ihn
zu entkernen. Der Saal wurde u.a. von Gergiev schlecht geredet, es gibt viel schlechtere Säle auf der Welt. Die Gasteig Lage ist einmalig.
2. Im Werksviertel ein Saal mit Bühne für Theater und Oper bauen (Drehbühne) bauen, der multifunktional ist.
Der konnte dann als Interims-Saal während der Renovierung des Nationaltheaters verwendet werden. Das sollte im Planungsstil
wie die Isarphilharmonie geschehen, schnelle Planung und zügige Umsetzung. In Wien gibt es eine solche Interimslösung für das Theater an der Wien.
Samstag, 14.Oktober, 17:56 Uhr
Walter Lange
Sir Simon ist der richtige Mann am richtigen Platz. Er ist Fan vom FC Liverpool und hat aus Verärgerung über den Brexit die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.
Freitag, 13.Oktober, 21:45 Uhr
charlie2
München Konzertsäle
fort.
Später könnte dieser Saal dann auch für alle möglichen Anwendungen wie Theater, Ballet, Konzerte, Aufführungen verwendet werden.
3. Eine digitale Vernetzung wie vorgesehen ist nicht nötig, ein Regieraum bzw. portable Apparaturen sowie jeder Ü-Wagen des BR
oder Alternative kann für die Übertragung sorgen, es muss dafür in der Planung platzmäßig berückischtigt werden.
4. Die Glasfassadenreinigung des geplanten Saales ist zu aufwändig und teuer, ausserdem ist der Platz für diesen geplanten
Saal zu limitiert.
5. Isarphilharmonie sollte erhalten bleiben für Konzerte/Aufführungen jeglicher Art, man sieht es an der jetzige Nutzung, dass das gut funktioniert.
6. Die ideale Lösung für einen neuen Konzertsaal wäre das Marstalltheater mit Erweiterungsanbau gewesen, das Gutachten vom Akustiker Toyota hat das auch
für machbar erklärt, das wurde dann von der Politik verworfen. Oper und Konzertsaal nebeneinander, eine ideale Lösung mit optimaler
Verkehrsanbindung.
Freitag, 13.Oktober, 13:31 Uhr
Albrecht
Ich schließe mich meinen "Vorschreibern" an und hoffe, daß der Gasteig bald wieder für Konzerte zur Verfügung steht. Für mich - ich wohne im Nordwesten von München ohne vernünftige ÖNV-Anbindung, ist die Isarphilharmonie nur mit dem Auto zu erreichen ... aber Parkplätze gibt es an der Isarphilharmonie für Besucher nicht. Dazu kommt die Sperrung des Mittleren Rings für gewisse Fahrzeuggruppen. Alles nicht so einfach wie es scheint!
Ich brauche, um die Isarphilharmonie zu erreichen mindestens 1 1/2 Stunden; d.h. ich mußte leider mein Donnerstags-Abo beim BR-Symphonieorchester aufgeben. Als jemand der um 8 Uhr anfängt zu arbeiten, ist es unmöglich unter der Woche ins Konzert zu gehen und dann, wenn's gut geht, gegen Mitternacht heimzukommen.
In meinem Umfeld geht es vielen so - und wir sind traurig, so viele schöne Konzerte verpassen zu müssen. Ich hoffe, daß Frau Jenke endlich Druck macht (übrigens ein sehr schön geführtes Gespräch)!
Freitag, 13.Oktober, 09:19 Uhr
Gufo
Konzertsaal
Wenn im Bund, den Ländern und Kommunen die Ausgaben auf das Sinnvolle und Wesentliche konzentriert würden,wäre ein Konzertsaal locker zu finanzieren und es blieben noch Milliarden für Schulen,marode Infrastruktur,Digitalisierung, Optimierung des Gesundheitssystems etc. übrig.
Donnerstag, 12.Oktober, 21:08 Uhr
Laios
Milliarden? Lieber für Schulen ausgeben!
Solange die Schulen marode sind, Unterricht ausfällt, rede man nicht von der "hohen Kultur". Milliarden für Prestige sind falsch angelegt, das Geld wird für modern ausgestattete, gute Schulen gebraucht. Dort liegen die Grundsteine jeder Kultur, den zu Hause läuft meist nur noch wenig dafür.
Kein Cent für solche Show-Objekte, dafür gute Technik an Schulen auch für den Musikunterricht.
Donnerstag, 12.Oktober, 19:52 Uhr
Wilfried Schneider
Konzertsaal
Die Isarphilharmonie ist kein echter Konzertsaal, sondern ein Provisorium! Kein Platz für eine Konzertorgel, schlechte Bedingungen für Musiker und Gäste im Backstage-Bereich und so gut erreichbar ist sie zumeist auch nicht. Woher die Frau Hellmann weiß, dass der Konzertsaal im Werksviertel "ebenso wenig angenommen werden wird wie die Isarphilharmonie", erschließt sich mir allerdings nicht. Ich bin allerdings nach wie vor der Meinung, dass der Herr Heubisch mit seinem penetranten Festhalten am Deutschen Museum das gesamte Projekt Konzertsaal verbockt hat, leider begreift er das nicht. Ein Konzertsaal im Erbbaurecht ist Nonsens. Er gehört auf einen Platz, der dem Staat oder dem Land gehört, zum Beispiel an und nicht in den Finanzgarten, wie einst geplant. Na ja, nun zahlt mal schön die pralle Erbpacht ohne Konzertsaal.
Donnerstag, 12.Oktober, 15:00 Uhr
Trappe
Konzertsaal
Rattles Verpflichtung scheint mir auch diesbezüglich ein Politikum gewesen zu sein. Positiv ist, dass er sich im Sinne des großen Jansons einsetzt.
@ Helmann Und wer so viel Geld sinnlos seit 2015 auf Bundesebene hinauspulvert, da ist ein Konzertsaal in diesem Land wohl sicherlich wahrlich zu rechtfertigen. Und akkustisch ist der Gasteig ein fragwürdiger Saal.
Donnerstag, 12.Oktober, 12:36 Uhr
Sabine Hellmann
Träumerei
Bei aller Liebe zur Klassik: wozu braucht München einen weiteren Konzertsaal. Die Säle sind meist nur halbvoll und da ist ja auch noch der Gasteig - vom Publikum geliebt und gut erreichbar.
Der Konzertsaal im Werksviertel wird ebenso wenig angenommen werden wie die Isarphilharmonie.