Simon Rattle hat mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen Flashmob im Werksviertel organisiert. Am Freitagvormittag waren die Orchestermitglieder, aber auch das Landesjugendorchester und Musikerinnen und Musiker aus ganz Bayern zum Münchner Werksviertel gekommen. Dort auf dem Platz vor dem Riesenrad spielte ein großer, spontan zusammengewürfelter Klangkörper die Filmmusik aus "Star Wars". Diese Aktion ist für Rattle und das Orchester auch ein Zeichen: Der designierte Chefdirigent spricht sich damit auch eindeutig für das Konzerthaus aus.
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Es herrscht dichtes Gedränge auf dem Platz vor dem Riesenrad im Münchner Werksviertel. Hier soll einmal, wenn es nach dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks geht, das neue Konzerthaus stehen. Jetzt hat Sir Simon Rattle, zukünftiger Chefdirigent des Orchesters, dort kurzerhand Musikerinnen und Musiker verschiedener Altersgruppen und Niveaus zum Orchesterflashmob zusammengetrommelt. Drum herum steht eine Menge vorbeigekommener Zuschauer. In der Mitte: grinsende Musiker und am Pult ein mitreißender Dirigent, der es schafft, hier ohne Saal und ohne wirkliche Probe musikalische Spannung, Freude und orchestrale Kraft zu erzeugen.
Musiker des BRSO spielen zusammen mit dem Landesjugendorchester im Münchner Werksviertel | Bildquelle: BR / Astrid Ackermann Unter Rattle zu spielen ist eine tolle Erfahrung, auch für die Geigerin Marei Winkler vom Bayerischen Landesjugendorchester: "Wir hoffen natürlich sehr, dass jetzt, wo Simon Rattle Chefdirigent des BRSO wird, wir auch mal eine Arbeitsphase mit ihm spielen dürfen." Das BRSO ist Pate des Landesjugendorchesters und diese enge Verbindung ist auch für Simon Rattle spannend und inspirierte ihn zum Flashmob: "Wir sollten zusammen spielen und im Werksviertel zeigen, was wir machen wollen", erklärt Rattle.
Wir glauben, Musik ist für alle und wir wollen sie allen zugänglich machen.
Im Orchester sitzt diesmal auch Benjamin Schwarz mit seinem Cello. Der ist eigentlich künstlerischer Planer des BRSO, zum symphonischen Flashmob hat er sein Instrument mal wieder ausgepackt. "Wir haben überhaupt nicht geprobt. Mal schauen, was Simon jetzt macht, ob er ein bisschen probt oder wir gleich einsteigen, das weiß ich eigentlich gar nicht", erzählt Schwarz beim Aufbau.
Rattle probt. In aller Öffentlichkeit. Und beim Proben zeigt sich Rattles Charisma. Er ist lustig und nahbar. Seine Anmerkungen für die Musiker sind auch für das umstehende Publikum greifbar. "Mehr Vibrato, weniger Bogen, mehr Kontakt. Ja, total Hollywood", ruft er den Musikerinnen und Musikern zu. Um dann grinsend anzufügen: "Oh, this is such a sexy sound." Simon Rattle weiß genau, was er will. Und stellt sich mit dieser Aktion auch eindeutig hinter das BRSO und seine Konzerthauspläne.
Unser Flashmob ist nur eine kleine Vorspeise. Natürlich brauchen wir ein Gebäude. Wir bleiben positiv. Und wir spielen für alle. May the force be with you.
Der Ort für den Flashmob wurde nicht zufällig ausgesucht: Hier sollte das neue Konzerthaus für München und das BRSO entstehen. | Bildquelle: BR / Astrid Ackermann Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sieht sein neues Konzerthaus weiterhin auf dem Gelände hinter dem Ostbahnhof. Im Zuge der Pandemie, der Wirtschaftslage und gestiegenen Kosten für das Konzerthaus wurden Gegenstimmen jedoch immer lauter. Auch die Frage, ob München nach der Eröffnung der Isarphilharmonie noch einen weiteren Konzertsaal brauche, kam auf. Im Frühjahr 2022 legte Markus Söder die Baupläne auf Eis. Sehr zum Unmut des Orchesters. Seit der erzwungenen Pause, zeigen sich die Musikerinnen und Musiker deshalb auch bewusst immer wieder in der Nähe ihrer zukünftigen Wunsch-Heimat: Zuletzt bezog man einen alten Übersee-Container im Werksviertel. Und jetzt werden dort Musik und Protest zum orchestralen Flashmob vermischt. Zwei Tage vor dem großen Filmmusikabend bei Klassik am Odeonsplatz in München.
Im Vorfeld sei der Flashmob zwar ein "organisatorischer Albtraum" gewesen, wie Rattle es ausdrückt. Aber: auch eine Chance. Und ein großer Spaß. Den sollte man bei aller Enttäuschung über politische Entscheidungen, aber auch bei allem Ernst, der die klassische Musik sonst so umweht, nicht vergessen. Und dafür ist Simon Rattle einer der bestmöglichen Partner.
Sendung: Leporello am 8. Juli 2022, um 16:05 Uhr, auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Samstag, 09.Juli, 17:00 Uhr
Gudrun Krämer
Flashmop
Als Verfechter für ein BRSO Konzerthaus bin ich überglücklich zu lesen, dass Sir Simon Rattle daran arbeitet, es entstehen zu lassen. Und für sein Temperament ist es genau das richtige.