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Kritik - Händel-Oper in Bayreuth Max Emanuel Cenčić singt und inszeniert

Im Markgräfliches Opernhaus wurde gestern das Festival Bayreuth Baroque eröffnet. Auf dem Programm stand Georg Friedrich Händels "Flavio, Re de' Langobardi". Ein heiter-überdrehter Opernabend, inszeniert vom Countertenor Max Emanuel Cenčić.

Countertenor Max Emanuel Cenčić im Markkgräflichen Opernhaus Bayreuth | Bildquelle: Lukasz Rajchert

Bildquelle: Lukasz Rajchert

Ziemlich genau dreihundert Jahre ist sie alt, die frech-satirische und doch anrührende Oper "Flavio, Re de‘ Langobardi" aus der Feder von Georg Friedrich Händel. Ende der Spielzeit 1722/23 kam sie in London zum ersten Mal auf die Bühne. Das vierstündige Werk bietet beste barocke Unterhaltung mit virtuoser Gesangskunst für damalige Stars wie den Kastraten Senesino und einen kritischen Blick auf das dekadente Königshaus. Der König amüsiert sich, allerdings ungern mit seiner eigenen Frau, und auch bei seinen Untergebenen geht es entweder um Liebe oder die bessere (gesellschaftliche) Stellung.

Ohrfeigen und Vatermörder

Countertenor und Festspielleiter Max Emanuel Cenčić, der 2022 sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feierte, hat sich diesen fast vergessenen "Flavio" mit gutem Gespür für eine lohnenswerte Neuproduktion zur Eröffnung des diesjährigen Bayreuth Baroque Festivals ausgesucht. Als Guido übernimmt er in seiner eigenen Inszenierung die Rolle des jungen Liebhabers, der so gerne mit seiner Emilia glücklich werden würde, aber leider bekommen sich ihre beiden Väter in die Haare. Es gibt eine Ohrfeige und als Folge einen tödlich endenden Kampf. Kann man seinen Vatermörder lieben? Außerdem hat es König Flavio auf Guidos Schwester Teodata abgesehen, obwohl diese seinen Adjutanten Vitige liebt.

Schauspieltruppe in barockem Gewand

Das Museum zum Markgräflichen Opernhaus Bayreuth wird am 21. April 2023 eröffnet | Bildquelle: picture alliance/dpa | Daniel Vogl Das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth wurde nach umfassenden Renovierungsarbeiten 2018 feierlich wiedereröffnet. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Daniel Vogl Der Stoff dieser Oper bietet ausreichend Personal und emotionsgeladene Verwirrungen für eine mehrteilige TV-Vorabendserie unserer Zeit, und genauso legt Max Emanuel Cenčić seine Bayreuther Neuinszenierung im erst kürzlich renovierten Markgräflichen Opernhaus an: Verstärkt durch eine bestens aufgelegte Schauspieltruppe schnurrt eine Szene nach der anderen im barocken Gewand von Kostümbildnerin Corina Gramosteanu leichtfüßig durch Helmut Stürmers sich immer neu entfaltende Palastwände. Der Haushofmeister gibt wie beim Fernseh-Vorspann jedes Mal sein dreifaches Klopfzeichen mit dem Zeremonienstab dazu. König Flavio ähnelt hier eher Louis XIV, und Rémy Brés-Feuillet spielt ihn umwerfend komisch. Sein Countertenor ist samtig und elegant, da kann man sein Da Capo in der royalen Badewanne auch mal pfeifen.

Das Bayreuth Baroque Opera Festival auf BR-KLASSIK

Freitag, 8. September 2023, 19:30 Uhr: Valer Sabadus singt Arien von Carl Heinrich Graun, live im Hörfunk und Videostream (danach on demand abrufbar).
Samstag, 16. September 2023, 19:05 Uhr: Claudio Monteverdi, "L'Orfeo", mit Rolando Villazon, Opernabend im Hörfunk und Videostream.
Sonntag, 17. September 2023, 12:05 Uhr: Das "Tafel-Confect to go" live aus Bayreuth mit aktuellen Aufnahmen sowie Stimmen und Eindrücken vom Festival.
Sonntag, 17. September 2023, 19:30 Uhr: Georg Friedrich Händel, "Flavio", mit Max Emanuel Cencic, live im Hörfunk und Videostream (danach on demand abrufbar).
Dienstag, 19. September 2023, 20:05 Uhr: "Kings of Bravura" mit Daniel Behle und Concerto Köln, im Hörfunk und Videostream.

Julia Lezhnevas enorme Gestaltungspalette

Das Stimmenfest in dieser originell in Szene gesetzten Wiederentdeckung wird von der grandiosen Julia Lezhneva als Emilia angeführt, die von aberwitzigen Koloraturen in hysterischen Verzweiflungsanfällen bis hin zum tief berührenden lyrischen Espressivo ihre enorme Gestaltungspalette aufbietet. Das Concerto Köln als Residenzorchester der diesjährigen Festivalausgabe versprüht unter Benjamin Bayls Dirigat genau die passende Energie, mit der gut drei Stunden reiner Händel schwerelos mitzureißen vermag.

Hochkarätige Solisten bei Bayreuth Baroque-Eröffnung

Mit Monika Jägerova als dunkel timbrierter Teodata und Yuriy Mynenko als strahlendem Vitige geben zwei weitere hochkarätige Solisten hier ein erstklassiges zweites Paar ab. Das Duett der beiden zu Beginn samt Quickie in Anwesenheit der schlafenden Mutter Oberin ist ebenso Hormon-übersteuert wie der royale Zeugungsakt vor Publikum im Königsbett, bei dem zwei barbusige Hofdamen Hilfestellung leisten. Die Musik erzählt es tatsächlich mit. Bei den Vätern Ugone und Lotario geht es nur noch ums Prestige, das in diesem Fall die Rolle des Statthalters von Britannien darstellt. Tenor Fabio Trümpy und Bassbariton Sreten Manojlovic kabbeln sich ordentlich darum, und dass Lotario dafür sein Leben lassen muss, ist das einzig Bedauerliche an diesem heiter-überdrehten Bayreuther Händelabend.

Am Sonntag, den 17. September, überträgt BR-KLASSIK "Flavio" live ab 19:30 Uhr aus Bayreuth – im Hörfunk und im Videostream.

Sendung: "Allegro" am 8. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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