Japanische Klänge und Wilder Westen: Giacomo Puccini schweift in seinen Opern immer wieder in die Ferne. Für "Madame Butterfly" lässt er sich sogar von einer Japanerin Lieder vorsingen und Gebräuche erklären.
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Giacomo Puccini besucht in London das Duke of York's Theater. Er versteht kein Wort, sein Englisch ist miserabel. Trotzdem fühlt sich das Stück für Puccini so an, als ob ihm mit dieser "Butterfly" ein neuer Opernstoff zuflattert! Jetzt nur noch zupacken, denkt sich Puccini und platzt nach der Vorstellung in die Garderobe von David Belasco. Er ist Regisseur und Autor des Bühnenstücks "Madama Butterfly". "Ich habe sofort zugestimmt", so Belasco. "Und er kann jeden Vertrag aufsetzen, weil man kann doch keine Geschäftsbedingungen aushandeln mit einem impulsiven Italiener, der Tränen in den Augen hat!"
Puccini recherchiert für den exotischen Handlungsort Nagasaki wie immer gründlich. Um ein Gespür für die fremde Kultur zu bekommen, trifft er die Frau des japanischen Botschafters, die ihm sogar japanische Lieder vorsingt. "Und sie versprach sogar, mir eine Sammlung japanischer Volksmusik schicken zu lassen", freut sich Puccini.
In die "Butterfly" fließen also japanische Melodien, Gebräuche und Requisiten aus erster Hand! Die Premiere ist trotzdem das größte Fiasko, das Puccini je erlebt hat. "Eine zuckerkranke Oper, das Ergebnis eines Anfalls. Das Libretto: künstlerisch unglücklich."
Vielleicht doch zu viel exotisches Flair? Nein, das Flair kommt zur falschen Zeit. In Italien herrscht wegen des japanisch-russischen Krieges eine ausgeprägte antijapanische Stimmung. Dazu randalieren von Puccini-Neidern bezahlte Rabauken während der Uraufführung. Und die Leidensgeschichte der Cio Cio San dauert viel zu lang. 90 Minuten im zweiten Teil. Puccini überarbeitet das Stück. Ein Vierteljahr später feiert die gestraffte und geschärfte Fassung ihre umjubelte Premiere.
Die Exotik bleibt auch in den letzten Opern Puccinis treue Partnerin. Mit "La fanciulla del West", komponiert für New York, spürt Puccini den Sitten im Saloon nach, dem American Way of Life in einem Goldgräbercamp und findet ruppige Rhythmen.
Bei Puccinis letzter Oper, der unvollendeten "Turandot", geht seine Fantasie mit ihm dann Chinesisch durch: mit exotischen Instrumenten und Adaptionen aus zeremoniellen Riten. Trotzdem: "Meine Butterfly bleibt, was sie ist: die tiefstempfundene und stimmungsvollste Oper, die ich je geschrieben habe."
Sendung: "Allegro" am 29. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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