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Vorschau auf die Salzburger Festspiele Produktive Unruhe

Der Vertrag des Intendanten verlängert, mehrere Klagen gegen die Festspiele abgeschmettert, vergessen der Zwist im Direktorium, die politischen Zurufe von außen und die Aufregungen rund um eine mit einigem Knirschen ausgehebelte "Jedermann"-Fortführung: Ist also Ruhe eingekehrt bei den Salzburger Festspielen? Nein, natürlich nicht!

Salzburg, Foto: BR/Herbert Ebner | Bildquelle: BR/Herbert Ebner

Bildquelle: BR/Herbert Ebner

Wie könnte bei den Salzburger Festspielen auch etwas anderes herrschen als zumindest produktive Unruhe – angesichts eines wieder prallvollen Festivalprogramms 2024.

10 Opern, 7 Theaterproduktionen und 88 Konzerte

Zwischen 19. Juli und 31. August sind zehn verschiedenen Opern zu erleben – die eine Hälfte szenisch, die andere konzertant, in insgesamt 37 Vorstellungen; sieben Theater-Neuproduktionen in 45 Aufführungen, davon allein 14-mal der neue "Jedermann" mit Philipp Hochmair in der Regie von Robert Carsen; nicht zu vergessen 88 Konzerte, 24 Jugendveranstaltungen und einiges mehr. Unruhe ist ja gerade der Sinn von Festspielen, bei denen diskutiert werden soll: über die Kunst an sich, über die Leistungen und das Zusammenwirken von Künstlerinnen und Künstlern, ihr Image und das, was sie vermitteln wollen oder unweigerlich vermitteln.

Markus Hinterhäusers Intendanz bis 2031 verlängert

Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr Markus Hinterhäuser bleibt bis 2031 Intendant der Salzburger Festspiele. | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr Markus Hinterhäuser bleibt jedenfalls Intendant bis 2031. Die neuerliche offizielle Ausschreibung des Postens ist in Österreich im Gegensatz zu Deutschland übrigens gesetzlich vorgeschrieben. Hinterhäusers Verlängerung war denn auch keine große Überraschung. Erst recht nicht, als transparent geworden war, dass etwa Serge Dorny – als Intendant der Bayerischen Staatsoper mittlerweile im Amt bestätigt – durch seine publik gemachte Bewerbung in Salzburg eher die zögerliche Politik in München unter Zugzwang bringen als tatsächlich abwandern wollte.

Hohe Besucherzahlen in Salzburg

Unterdessen sind auch alle medienwirksam vorgebrachten Klagen und rechtlichen Vorwürfe gegen die Festspiele im Allgemeinen und das Direktorium der Pandemiejahre im Besonderen in allen Punkten abgewiesen worden. Für Hinterhäuser sprach vor allem der simple Grund, dass die Kasse stimmt. 2023 lag die Auslastung bei einem Rekordwert von 98,5%; mehr als 241.000 Menschen aus 79 Staaten waren bei den Festspielen zu Gast.

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Sanierung und Erweiterung der Spielstätten steht bevor

Außerdem steht eine noch nie dagewesene bauliche Sanierung und Erweiterung der Spielstätten um mehr als 350 Millionen Euro an. Diese mitzuverantworten, wäre für jeden Newcomer eine außerordentliche Herausforderung jenseits aller Spielplan- und Besetzungsfragen gewesen. Lukas Crepaz, der kaufmännische Direktor der Festspiele, hat Ende Juni dazu einen Informationspavillon eröffnet, der Ein- und Ausblick zum Projekt "Festspielbezirk 2030" gibt.

Würth-Gruppe wird neuer Hauptsponsor

Prof. Dr. h.c. mult. Reinhold Würth und Dr. Kristina Hammer | Bildquelle: Ufuk Arslan Die Salzburger Festspiele haben ab 2025 einen neuen Hauptsponsor: die Würth-Gruppe. Hier im Bild: Reinhold Würth mit Kristina Hammer. | Bildquelle: Ufuk Arslan War die Achse Hinterhäuser-Crepaz stets exzellent, hing mit der für viele überraschenden Bestellung von Kristina Hammer zur Festspielpräsidentin als Nachfolgerin von Helga Rabl-Stadler bald der Haussegen im Direktorium schief. Aber durch eine Neuordnung der Kompetenzen hat sich die Situation immerhin entschärft. Mit dem gerade unterzeichneten Vertrag mit der deutschen Würth-Gruppe, die ab 2025 drei Jahre lang die Rolle des Hauptsponsors einnehmen wird, hat auch Kristina Hammer einen Erfolg zu verzeichnen, der ihr intern ebenso zugutekommen dürfte wie in der Außenwahrnehmung.

Mehr Künstlerinnen in Regie und am Dirigierpult gefordert

Apropos Außenwahrnehmung: Die internationale Kritik hat Hinterhäuser zuletzt zum Teil ungewöhnlich deutlich angegriffen. Ist sein Opernprogramm zu sehr einer vergangenen Ästhetik verhaftet? Ist der Pool der (fast durchwegs männlichen) Regisseure zu klein? Wann kommen mehr Dirigentinnen? Und warum hält er an Teodor Currentzis fest? Sicher ist: Die Qualität der Festspiele insgesamt lässt sich beim reinen (Opern-)Premierenhopping nicht fair beurteilen, weil das Konzertprogramm gerade an der Salzach traditionell ungewöhnlich durchdacht und vom Niveau her fantastisch ist: Da hat der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Florian Wiegand große Fußstapfen zu füllen, denn Salzburgs Konzertchef verabschiedet sich schon im Herbst und wechselt als Intendant zu den Münchner Philharmonikern.

Mirga Gražinytė-Tyla  | Bildquelle: © Frans Jansen Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Mieczysław Weinbergs Oper "Idiot". | Bildquelle: © Frans Jansen Auf Zurufe von außen hat Hinterhäuser freilich nie sonderlich hellhörig reagiert, dazu ist er – gottlob – wohl auch zu sehr Künstler geblieben. Lieber bleibt er jenen treu, die er schätzt und denen er vertraut, auch wenn sie angegriffen werden. Trotzdem hat Hinterhäuser in den nächsten Jahren Gelegenheit, in seiner eigenen Planungsgeschwindigkeit weiter über alles nachzudenken. Was die Sichtbarkeit von Künstlerinnen angeht, inszeniert etwa schon in diesem Sommer Mariame Clément Offenbachs "Contes d’Hoffmann", und Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Weinbergs Oper "Der Idiot".

Opern von Prokofjew und Weinberg auf dem Programm

Seine Aussagen legt Hinterhäuser jedenfalls ins Programm: Dass gleich zwei ziemlich unbekannte Opern nach Romanen von Fjodor Dostojewski als Festspielerstaufführungen auf dem Programm stehen – Sergej Prokofjews Oper "Der Spieler" und eben Weinbergs "Idiot" – erweitert nicht nur den Kanon, sondern ist auch deshalb aufregend, weil einerseits das Putin-Regime versucht, Dostojewski ideologisch für sich zu vereinnahmen, diese Opern aber andererseits von zwei Künstlern stammen, die auf unterschiedliche Weise unter dem Stalin-Regime gelitten haben. Die Eröffnungsrede hält denn auch die Putin-Kritikerin Nina Chruschtschowa, eine Urenkelin des einstigen sowjetischen Parteichefs Nikita Chruschtschow. Diskussionsstoff und produktive Unruhe scheinen also weiterhin garantiert in Salzburg.

Sendung: "Allegro" am 17. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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