Mag Neapel heute nicht mehr zu den ersten Musikstädten Europas zählen, im Barock war sie es. Die Weiterentwicklung der Oper wurde dort vorangetrieben, und auch ein Hit der Kirchenmusik entstand in Neapel: Pergolesis Stabat mater.
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Stichwort | 02.05.2010
Neapel
Heutzutage ist Neapel angesichts von Mafia und Müllbergen sicherlich nicht die erste Stadt Italiens, die man besuchen muss. Rom, Venedig und Florenz sind da wirklich attraktiver. Doch im 17. und 18. Jahrhundert war Neapel eine – nicht nur wegen des Vesuvs – brodelnde Musikmetropole von europäischem Rang. In zahlreichen Salons und Adelsresidenzen, Kirchen und Akademien, ja selbst auf der Straße wurde musiziert und gesungen. Und das dank mehrerer Konservatorien auf einem hohen internationalen Niveau.
Sogar der große Aufklärer Jean-Jacques Rousseau riet jedem jungen Musiker in diese Stadt zu gehen, um dort zu lernen.
"Eile, flieg nach Neapel, um den Meisterwerken von Leo, Durante, Jommelli, Pergolesi zu lauschen. Füllen sich deine Augen mit Tränen, schlägt dein Herz höher, durchfährt ein Schauer deinen Körper, stockt dir der Atem in deinem Taumel, dann greif zum Metastasio und mach dich an die Arbeit." Jean-Jacques Rousseaus "Dictionnaire de Musique", 1768
Denn Neapel gab im 18. Jahrhundert den Ton an – besonders in der Oper. Man spricht noch heute von der Neapolitanischen Schule. Der erste herausragende Vertreter dieser Gattung war Alessandro Scarlatti, der in Neapel bald 30 Jahre als Hofkapellmeister wirkte. Doch wirklich Schule machend waren die Generationen nach ihm, waren Domenico Cimarosa und Leonardo Leo, Nicola Porpora und Francesco Durante, Leonardo Vinci und Johann Adolph Hasse.
Belcanto in Reinkultur, Koloraturen in höchster Vollendung, Arien voller Leidenschaft und Affekte. Die neapolitanische Schule machte den Sänger zum Star und degradierte das Ensemble zum Stichwortgeber. Im Zentrum stand die Da-capo-Arie, der dramatische Zusammenhang war dagegen zweitrangig.
Neben der Opera seria entwickelten die neapolitanischen Komponisten aber auch die Opera buffa, die komische Oper, als eigenständige Gattung. Denn ein lachlustiges Völkchen waren die Einwohner Neapels schon immer, mit einem Hang zu großen theatralischen Gesten. Da erstaunt es nicht, dass sich selbst die Kirchenmusik stark an der Oper orientierte. Auch das vielleicht berühmteste Musikstück der neapolitanischen Schule, das Stabat mater des früh verstorben Giovanni Battista Pergolesi, passt ebenso gut auf die Bühne wie in die Kirche.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 2. Mai 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK