BR-KLASSIK

Inhalt

Prokofjews Symphonie Nr. 6 wird uraufgeführt Ein "volksfeindliches" Meisterwerk?

Leningrad, 11. Oktober 1947. Evgenij Mravinskij dirigiert die Leningrader Philharmoniker. Auf dem Programm: die neue Symphonie von Sergej Prokofjew, seine sechste, in es-Moll.

Bildquelle: wikimedia

Das Kalenderblatt zum Anhören

"Die Symphonie ist eins seiner schönsten, seiner ausdruckstärksten Werke" – so war ein sowjetischer Musikkritiker voll des Lobes, um sofort pflichtgetreu und ideologisch wasserdicht hinzuzufügen: "Sie ist erfüllt mit dem kreativen Geist des sowjetischen Humanismus. Ein großartiger Meilenstein nicht nur in Prokofjews Schaffen, sondern in der gesamten Geschichte der sowjetischen Symphonik". Damit war dem neuen Werk das offizielle Gütesiegel erteilt; dem weiteren Erfolg in den Konzertsälen der UdSSR stand eigentlich nichts im Weg.

Konzipiert aus den Schrecken des Krieges

Etwas zu voreilig ausgestellt war er, dieser ästhetische Persilschein: Denn Prokofjews 6. Symphonie, in der Tat ein Meisterwerk, aber eins in düsterem Moll, in dunkel-ernster Färbung, fahl, in sich gekehrt, kompositionstechnisch und klanglich deutlich komplexer als die heroische Fünfte, entsprach eigentlich in keinem Parameter dem verordneten Optimismus des sozialistischen Realismus. Ein Werk, gefühlt und konzipiert aus den Schrecken des Krieges – Prokofjew sagte: "Jeder von uns hat noch nicht vernarbte Wunden. Der eine verlor ihm nahestehende Menschen, der andere seine Gesundheit."

Prokofjew – ein zunehmend kranker Mann

Prokofjew hatte nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion 1936 beides verloren: Seine erste Frau Lina ließ Josef Stalin ohne Gegenwehr des Komponisten im GULAG inhaftieren; extremer Bluthochdruck, eine Gehirnerschütterung und die psychischen Strapazen des Totalitarismus machten aus Prokofjew einen zunehmend kranken Mann.

Unmissverständlicher Rundumschlag der Partei

Das künstlerische Genick und seine Willenskraft brachen ihm ein halbes Jahr nach der Uraufführung seiner 6. Symphonie im Februar 1948 ein unmissverständlicher Rundumschlag der Partei: "Das Zentralkomitee der KPdSU beschließt, die formalistische Richtung in der sowjetischen Musik als volksfeindlich und in der Praxis zur Liquidierung der Musik führend zu verurteilen."

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Thomas Søndergård | Sergej Prokofjew: Sinfonie Nr. 6 es-Moll op. 111 | SWR Symphonieorchester | Bildquelle: Klassik | SWR Kultur (via YouTube)

Thomas Søndergård | Sergej Prokofjew: Sinfonie Nr. 6 es-Moll op. 111 | SWR Symphonieorchester

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 11. Oktober 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player