Zu Lebzeiten gefeiert, dann aber schnell vergessen: Komponistinnen des Barock. "Musica Antiqua" eröffnet nun mit einem Konzert, das nur ihnen gewidmet ist – und rückt die zu Unrecht Vergessenen damit wieder ins Rampenlicht.
Bildquelle: Frank Walka
Mit einem Konzert bestehend nur aus Komponistinnen des 17. und 18. Jahrhunderts eröffnet die Reihe "Musica Antiqua" in diesem Jahr ihre Saison – erstmalig in ihrer langen Geschichte. Auf dem Programm: Elisabeth Jacquet de La Guerre, Isabella Leonarda, Anna Bon di Venezia und Wilhelmine von Bayreuth. Alles bekannte Komponistinnen, zumindest in der damaligen Zeit. Heutzutage jedoch klingelt es bei diesen Namen – selbst bei ausgewachsenen Musikkennern – selten.
Das Salzburger Originalklang-Ensemble "Spirit of Musicke" hat es sich genau aus diesem Grund zur Aufgabe gemacht, diesen Frauen zu neuer (oder eher alter) Bekanntheit zu verhelfen. Seit Jahren suchen sie nach vormals bekannten Komponistinnen, spielen ihre Werke ein und bieten ihnen so eine neue Bühne. Ihnen auch im Konzert ein tatsächliche Bühne zu geben, ist jedoch gar nicht so einfach, sagt die Cembalistin des Ensembles Veronika Braß, denn viele Veranstalter würden sich nicht trauen, unbekannte Namen auf ihre Programme zu setzen.
Wilhelmine von Bayreuth zieht im 18. Jahrhundert als Mäzenin und Komponistin zahlreiche Dichter, Philosophen und Musiker an ihren Hof. | Bildquelle: picture-alliance / akg-images Dabei stehen diese Werke und ihre Urheber den männlichen Komponisten der damaligen Zeit in nichts nach. "Das ist einfach sehr gut gemachte Musik auf ganz hohem Niveau und eigentlich auch sehr im Stil der Zeit", schwärmt Braß im Interview mit BR-KLASSIK. "Das ist jetzt nicht etwas ganz Anderes, nur weil es von Frauen komponiert ist." Entsprechend zollen die Zeitgenossen den musikalischen Leistungen ihrer Kolleginnen durchaus Respekt. Jacquet de la Guerre etwa wird als "Wunder des Jahrhunderts" gefeiert. Wilhelmine von Bayreuth hat zahlreiche Dichter, Philosophen und Musiker an ihren Hof gezogen, "weil sie so eine interessante Persönlichkeit war", so Maria Loos, Flötistin des Ensembles.
Doch dann ist Schluss mit dem Ruhm: Nach ihrem Tod geraten die Komponistinnen immer mehr in Vergessenheit. Sind sie zumindest in den Lexika des 18. Jahrhunderts noch voll präsent, verschwinden sie spätestens im 19. Jahrhundert gänzlich. Erst über 100 Jahre später erwacht allmählich das Interesse an komponierenden Frauen. In der Wissenschaft entsteht ein ganzer Zweig, der sich nur ihnen widmet: Werke werden aufgespürt, editiert und auf CDs und in Konzerten immer sichtbarer.
Dabei ist nicht nur die Musik, sondern auch die Hintergründe der Komponistinnen spannend, könnten ihre musikalischen Biographien doch kaum unterschiedlicher sein. Während Isabella Leonarda fast ihr ganzes Leben im Kloster verbringt, dort komponiert, musiziert und ihre Werke aufführt, wird Jacquet de La Guerre in eine Musikerfamilie hineingeboren, früh entdeckt und am Hof des Sonnenkönigs in Frankreich vorgestellt. Anna Bon wiederum stammt aus einer Familie, die in einer Wanderoper quer durch Europa reist. Nach ihrer Ausbildung in Venedig kehrt sie zu ihren Eltern zurück, zieht mit ihnen umher – und kommt unter anderem an den Hof Wilhelmines von Bayreuth.
Aber auch Komponistinnen, über die man heutzutage nahezu nichts weiß, finden bei "Spirit of Musicke" und dem Eröffnungskonzert von "Musica Antiqua" ihren Platz. Etwa die mysteriöse "Mrs. Philharmonica", von der man nichts weiter weiß, als dass von ihr 1715 in London unter diesem Pseudonym eine Reihe an Triosonaten gedruckt wurden – stilistisch angelehnt an Georg Friedrich Händel, ebenso aber beeinflusst vom italienischen Stil Arcangelo Corellis. Die Wahl eines Pseudonyms mag daher rühren, dass – obwohl alle diese Komponistinnen damals angesehen waren – die Zeit für Frauen und vor allem Musikfrauen keine rosige war: Sie entschieden nicht selbst, ob sie sich dem Komponieren widmen durften oder nicht, sondern ihr Umfeld, ihr Vater oder ihr Ehemann. Umso wichtiger, die wenigen Existierenden gerade jetzt wieder aus ihrem Schattendasein hervorzuholen.
Bereits seit 1956 begeistert die Konzertreihe Musikerinnen und Zuhörer der Alten Musik. Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg mit seiner großen Musikinstrumentensammlung ist hierfür der ideale Partner und Aufführungsort. Regelmäßig werden hier die noch spielbaren Instrumente – und damit auch ein Stück der damaligen Zeit – zum Klingen gebracht.
Sendung: "Leporello" am 16. November 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)