Dirigent Marek Janowski ist ein Perfektionist am Pult: Stets geht es ihm darum, dem Werk eines Komponisten gerecht zu werden. Am 20. und 21. Februar leitet er das BRSO. Auf dem Programm stehen dann Beethoven und Bruckner – zwei Komponisten, die der Dirigent für ihre revolutionäre Ausdruckskraft besonders schätzt.
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BR-KLASSIK: Herr Janowski, zwei Werke, die für die Musikgeschichte wegweisend sind, stehen auf dem Programm dieses Konzerts. Die erste Sinfonie von Ludwig van Beethoven und die dritte Sinfonie von Anton Bruckner. Bei Beethoven treffen sich Tradition und Moderne. Er nimmt die Traditionen von Mozart und Haydn auf, gestaltet sie aber auf seine eigene Weise. Was ist neu in dieser Sinfonie?
Marek Janowski: Zunächst kann man sich mit der Orchestrierung beschäftigen. Beethoven hat über den Lauf der späteren Sinfonien hinweg, speziell ab der "Eroica", Erfahrungen mit der Orchestrierung gesammelt. Die Themen der ersten Sinfonie könnte ich mir genauso gut auch in einer Sonate mit Geige und Klavier vorstellen. Oder in einer Klaviersonate. Um bestimmte Balancen und Texturen für das Publikum deutlich zu machen, muss man in der Dynamik und Ausgewogenheit im Orchester einiges tun. Das hängt ein bisschen vom Saal ab, von der Positionierung der Instrumente, speziell der Blechbläser. Wir haben in den Proben viel Aufmerksamkeit darauf gelegt, Klarheit in diesem symphonischen Versuch einer Orchesterbehandlung zum Ausdruck zu bringen.
BR-KLASSIK: Die Orchestrierung durch Beethoven ist ja neuartig. Der Klang der Streicher und Bläser ist schon der berühmte "Beethoven-Klang", der sich eigentlich durch alle seine Sinfonien zieht. Wie würden Sie diesen Klang beschreiben?
Marek Janowski: Es sind oft sehr bewegte Streicherfiguren. Das ist in späteren Sinfonien weniger der Fall. Die liegenden Akkorde der Bläser können bei übermäßiger Betonung zu einer orchestralen Verwaschenheit im Klang führen. Das darf nicht sein. Holzbläser und Hörner müssen ausbalanciert sein. Das zweite, aber was wichtig ist: Er schreibt eine Sinfonie in C-Dur und fängt mit einem Septakkord an, der zu F-Dur führt. Diesen Mut zu haben – das ist ja vollkommen revolutionär.
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BR-KLASSIK: Der Beginn des letzten Satzes fängt sehr ruhig an und zum Finale hin kommt dann plötzlich ein Feuerwerk, wo man es gar nicht erwartet. Diese Überraschungseffekte und die Spannung, die dadurch entsteht, sind auch ziemlich revolutionär.
Marek Janowski: Absolut. Bis dahin hat es schon eine ganze Reihe von Kompositionen von Beethoven gegeben. In der Musikgeschichte ist Beethoven für mich bis heute der Turning Point. Er hat alles aufgenommen, was vor ihm da war und es in einer Art und Weise verarbeitet, die in die Zukunft weist. Wenn Sie die Missa solemnis oder die letzten Streichquartette betrachten, führt der direkte Weg zu Weber, Wagner und Strauss, sogar zu Schönberg. Beethoven hat das alles geöffnet und mit seinem Mut völlig unvorhersehbare Dinge getan. Überraschungseffekt ist gar nicht das richtige Wort: Veränderungseffekt. Ein Veränderungseffekt nach dem anderen, der beim vorbereiteten Hörer Überraschung auslöst, Verwunderung und Fragestellungen im Musikalischen. Das ist alles in dieser ersten Sinfonie schon angedeutet.
Beethoven hat alles aufgenommen, was vor ihm da war.
BR-KLASSIK: Beethoven hatte Erfolg mit dem Revolutionären, anders als Anton Bruckner. Der hat lange vergeblich versucht, seine Sinfonien zu platzieren. Die Wiener Philharmoniker haben ihn abgelehnt, gerade diese dritte Sinfonie. Aus heutiger Perspektive ziemlich erschreckend. Was war bei ihm so unerhört neu, dass es die Leute verstört hat?
Der Dirigent Marek Janowski ist am 20. und 21. Februar 2025 zu Gast beim BRSO in München. | Bildquelle: Felix Broede
Marek Janowski: Wenn Sie die erste und zweite Sinfonie als Übernahme des Klassizismus sehen, dann geht mit der ersten Fassung seiner dritten Sinfonie der "typische" Bruckner los. Diese erste Fassung war wohl ein Flop allererster Güte bei der Aufführung. Er hat die Sinfonie dann lange liegen lassen. Die dritte Fassung, die ich mit dem BRSO spiele, ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als er spätere Sinfonien bereits konzipiert hatte. Die typische Quarten-Quintensprung-Thematik und das für Bruckner charakteristische Themenempfinden ist von einem Streichergewebe eingepackt, wie es später nie mehr der Fall ist. Es steht in der Konzeption ein bisschen auf der Kippe zwischen seinen eigenen Ideen und dem, was er aus der symphonischen Geschichte übernommen hat – von Mozart, Beethoven, Schubert. Damit die Themenklarheit erhalten bleibt, muss man oft Dinge an der Dynamik im Orchester verändern. Man darf sich trotz der Bezeichnung im ersten Satz, "mysterioso", nicht zum Weihrauch-Zelebrieren verleiten lassen.
BR-KLASSIK: Die dritte wird ja auch die Wagner-Symphonie genannt. Bruckner hat sie Richard Wagner, seinem großen Vorbild, gewidmet...
Marek Janowski: Bruckner war ein unglaublicher Wagner-Verehrer, aber trotzdem finde ich diese Bezeichnung Wagner-Symphonie trifft den Sinn und den Kern dieses Stückes überhaupt nicht. Beim Programmieren eines Konzerts wird davor oft ein Wagner-Stück gesetzt. Das ist absoluter Unsinn. Es ist eine Symphonie in sich, er hat sie Wagner zueignen wollen, Wagner hat es gnädig aber eher beiläufig akzeptiert. Es ist die erste wirklich im Kern konzeptionell durchgeführte Brucknersche Sinfonie.
Bruckner war ein unglaublicher Wagner-Verehrer.
BR-KLASSIK: Im vergangenen Jahr feierte die Musikwelt den 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Haben Sie Bruckner dadurch ein bisschen neu für sich entdeckt?
Marek Janowski: Egal, ob Sie bei einem Orchester Chef sind oder als Gast kommen und sich erstmal auf die klanglichen Bezüglichkeiten innerhalb des Orchesters so ein bisschen einstellen müssen: Ob Sie ein Stück dreimal dirigieren oder zwanzig Mal, man entdeckt immer etwas Neues. Für mich ist das ein Kriterium des Meisterwerks: beim 21. Mal müssen Sie immer noch etwas Neues entdecken und sich immer noch an der einen oder anderen Stelle die Frage stellen, ob man es nun anders macht. Das fordert ein Meisterwerk und ein Werk, das kein Meisterwerk ist, fordert das nie.
Die Konzerte finden am 20. Februar und 21. Februar im Münchner Herkulessaal statt. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. BR-KLASSIK übertragt das Konzert am Freitag, den 21.02., live im Radio.
Programm:
Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 1 C-Dur, op. 21
Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 3 d-Moll
Marek Janowski, Dirigent
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Weitere Informationen zu den Konzerten und Tickets finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 21. Februar 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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