Sein "Tannhäuser" gilt als beliebteste Produktion bei den Bayreuther Festspielen. Jetzt mischt Tobias Kratzer die Hamburger Opernlandschaft auf. Als künftiger Intendant der Staatsoper Hamburg hat Kratzer zusammen mit dem Führungsteam die Saison 2025/26 vorgestellt.
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"Hallo, ja, wir sind die Neuen." Mit Baseballkappe und Dreitagebart, freundlich, witzig und schnell begrüßt Tobias Kratzer die Zuhörer. Der neue Intendant der Staatsoper Hamburg macht wirklich alles neu. Es gibt im Programm für die kommende Spielzeit nur wenige bekannte Opernamen. Dafür viele Experimente. Der gefeierte 45-jährige Regisseur aus Bayern hat unter anderem 2019 bei den Bayreuther Festspielen den "Tannhäuser" inszeniert und verantwortet in München aktuell die Neuinszenierung vom "Rheingold".
In Hamburg gibt es nun zum Start zum Beispiel ein Chororatorium von Robert Schumann. Eine Trump-Oper mit dem Titel "Monsters Paradise" mit einem Text von Elfriede Jelinek. Oder einen Abend mit einer Mischung aus unbekannteren Mozart-Stücken. Bei Tobias Kratzer ist das Experiment Programm. "Ich glaube, die Zeiten, in denen ein bekannter Titel allein schon Publikum anlockt, weil es ein bekannter Titel ist, das ist auch ein bisschen vorbei", sagt Kratzer und meint auch: "Ein Publikum von heute will angesprochen werden durch ein Projekt, das etwas mit ihnen zu tun hat. Und das danach auch einen sinnlichen Eindruck hinterlässt."
Ein Publikum von heute will angesprochen werden durch ein Projekt, das etwas mit ihnen zu tun hat.
Oper für Kinder ist bei Kratzer künftig Chefsache. Auch große Namen sollen bei Kinderstücken singen. "Davon erhoffe ich mir, dass wir das Haus rappelvoll mit interessierten Jugendlichen und Kindern haben", sagt er. Aber auch, dass Erwachsene über diese Seitentür Zugang zu Musik finden, die sie sonst vielleicht gar nicht hören würden. Deshalb gibt es auch einen Nachmittag "Stockhausen für Kinder". Kratzer setzt darauf, dass dieses Angebot auch erwachsenen Besuchern oder Besucherinnen die Angst vor dem Avantgarde-Komponisten nimmt.
Ältere Inszenierungen aus dem Repertoire sollen in Hamburg künftig nicht einfach wiederholt, sondern mit einem Begleitprogramm erklärt werden. Ein Beispiel dafür ist Giacomo Puccinis "Madame Butterfly". "Da hören Sie vielleicht im Stück den Exotismus Puccinis, der ja auch immer so ein bisschen was Kolonialistisches an sich hat. Werden dann aber in der Pause und danach mit einem japanischen Originalklang-Ensemble konfrontiert", führt Kratzer aus. Anschließend könne es eine Diskussionsveranstaltung über das Frauenbild zu Beginn des 20. Jahrhunderts geben. Die Gedanken sollten aktiv gehalten werden.
Tobias Kratzer lässt in der Staatsoper keinen Stein auf dem anderen und muss dafür nicht einmal ein neues Haus bauen. Vorgestellt hat die neue Führung ihre Pläne in der Opernwerkstatt, zwischen Handwerkern und Opernkulissen. Das passt zum Geist der Pläne. Spektakulär auch die Zusammenarbeit des Philharmonischen Staatsorchesters mit dem Schmidts Tivoli an der Reeperbahn. Der künftige Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber lässt den Klassiker "Peter und der Wolf" von Sergej Prokofjew auf Sankt Pauli spielen und macht daraus ein Kiez-Stück.
Die Orchesterkonzerte werden zum Spielplatz. Ein Teil der bekannten Werke, ein Satz etwa aus Max Bruchs Violinkonzert, wird neu vertont – von einem Komponisten oder einer Komponistin von heute. "No risk, no fun", sagt Meir Wellber.
Das Programm verspricht einen Paradigmenwechsel in der Hamburger Opernlandschaft. Der neue Intendant Kratzer will an die legendären Zeiten der Intendanz Rolf Liebermanns anknüpfen. Und mit einem neuen Staatsopern-Logo sowie stärkerer Zusammenarbeit zwischen Orchester, Ballett und Oper einen neuen Stellenwert der Staatsoper in der Gesellschaft anschieben. Hamburger Kultursenator Carsten Brosda sieht mit dem neuen Leitungsteam die Oper auf einem guten Weg. "Ich finde, man spürt einfach einen Energiestoß, der da drin ist. Und eine Lust und Leidenschaft, Oper neu zu denken. Und ich glaube, das wird der Oper gut tun. Und das wird ganz viele Menschen auch begeistern, die sich jetzt momentan vielleicht auch noch mal fragen: Ist Oper eigentlich was für mich? Wer da sein wird, wird merken: Auf jeden Fall."
Sendung: "Leporello" am 5. März 2025 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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