BR-KLASSIK

Inhalt

Dirigentin Josephine Weinlich Die Orchesterbühne war ihre Welt

Dechtitz in der heutigen Slowakei, 2. August 1848. Die Musikerin und Dirigentin Josephine Weinlich wird geboren. Sie gründete in den 1860er-Jahren in Wien das erste Damenorchester Europas – und erregte international Aufsehen. Doch immer wieder bekamen sie und ihre Musikerinnen auch misogyne Kritik zu spüren.

Bildquelle: Wikimedia Commons

Das Kalenderblatt anhören

Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Vater Franz Weinlich nicht sein Vermögen verloren hätte. Vielleicht hätte er dann nie mit seinen vier Töchtern in Wiener Lokalen Unterhaltungsmusik gespielt, um die Familienkasse zu füllen. Vielleicht hätte Josephine, die Älteste, nie erfahren, dass die Bühne ihre Welt war. An der Geige und am Klavier fühlte sie sich wohl. Was hätte sie drum gegeben, in einem richtigen Orchester mitzuspielen! Aber das war ja Männersache. Die Wiener Gesellschaft war deshalb einigermaßen überrascht, als 1868 in der Zeitung zu lesen war: "Ein Damen-Orchester giebt jetzt unter Leitung des Capellmeisters Fräulein Josephine Weinlich in Wien Concerte."

Konzertreise bis Russland

Ein Damenorchester? Na gut, anfangs eher ein Orchesterchen, bestehend aus drei Geigen, Flöte, Cello, Harmonium, Klavier und Harfe. Die 20-jährige Josephine hatte die Musikerinnen teilweise per Zeitungsannonce angeheuert. Sein Debüt gab das Ensemble in der Neuen Dreher'schen Bierhalle – und der Erfolg sprach sich schnell herum. Ein Jahr später brach das Wiener Damenorchester zur ersten großen Konzertreise auf, bis nach Sankt Petersburg. Auf dem Programm standen hauptsächlich Tanzkompositionen, Ouvertüren und Potpourris aus Opern. Denn sogenannte "ernste" Kammer- und Orchestermusik war, genau, auch Männersache.

Das Ehepaar Weinlich schmiedet kühne Pläne

Wieder ein Jahr später bekam das Damenorchester einen männlichen Chef, zumindest auf dem Papier. Denn Josephine hatte geheiratet: den Musikdirektor Ebo Amann. Der hatte zum Glück nichts dagegen, dass seine Frau nicht nur drei Kinder großzog, sondern gleichzeitig komponierte und ein Orchester leitete. Um die Konzertorganisation kümmerte sich das Ehepaar Weinlich-Amann aber gemeinsam. Und es schmiedete kühne Pläne – zum Beispiel eine Tournee nach Amerika.

Viele wohlwollende Zeitungskritiken

Diese Reise würde für Josephine unvergesslich bleiben. Das Debüt-Konzert in New York. Die Tour durch 42 Städte der USA. Die vielen wohlwollenden Zeitungskritiken. Und das Beste: Mit ihrem Orchester inspirierte Josephine zahlreiche amerikanische Frauen, ebenfalls eigene Ensembles zu gründen.

Josephine lässt sich nicht beirren

Nur daheim in Wien spöttelten die männlichen Musikkritiker: "Das Orchester spielt mit jenem Dünnklang, der allen weiblichen Musikproductionen eigen ist." So schrieb ein Redakteur der Neuen Freien Presse. Josephine ließ sich von solch frauenverachtenden Stimmen nicht beirren. Noch mehrere Jahre leitete sie ihr Damenorchester erfolgreich, in dem mittlerweile über 30 Musikerinnen spielten. Dann zog sie mit ihrer Familie nach Lissabon. Doch viel Zeit war Josephine in ihrer neuen Heimat Portugal nicht vergönnt. Sie starb mit nur 38 Jahren an Tuberkulose.

"Freie Gedanken" – eine Komposition von Josephine Weinlich

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Freie Gedanken (Free Thoughts), Josefine Weinlich - Esther Abrami & Her Ensemble @ SCL Festival | Bildquelle: Esther Abrami (via YouTube)

Freie Gedanken (Free Thoughts), Josefine Weinlich - Esther Abrami & Her Ensemble @ SCL Festival

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 02. August 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player