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Janine Jansen mit dem BRSO "Bernsteins Serenade wird oft unterschätzt"

Geigerin Janine Jansen spielt mit dem BRSO in München zwei Konzerte mit einem amerikanischen Programm. Die 47-jährige Niederländerin übernimmt den Solopart in Bernsteins selten gespieltem Violinkonzert "Serenade after Plato’s Symposium". Damit war sie auch in den USA auf Tournee. Ihre engste Vertraute auf dem Podium: eine Stradivari.

Janine Jansen | Bildquelle: DECCA

Bildquelle: DECCA

BR-KLASSIK: Der Konzertabend präsentiert vier Werke, die in den USA komponiert wurden. Eines allerdings nicht von einem amerikanischen Komponisten, sondern vom tschechischen Komponisten Antonin Dvořák. Entstanden sind diese Werke oftmals auf der Suche nach einer amerikanischen Musik in Abgrenzung zur europäischen. Inwiefern finden Sie das Thema eines Nationalstils als Interpretin inspirierend?

Janine Jansen: Das ist eine gute und wichtige Frage und ich weiß nicht, ob ich sie gut beantworten kann. Für eine Kultur ist es wichtig, das Erbe zu pflegen. Für mich persönlich ist Musik einfach Musik, und ich fühle mich mit ihr verbunden - mal weniger und mal mehr. Ich liebe den unglaublichen Reichtum, den die klassische Musik bietet, die Vielfalt der Stile und der Genres.

Janine Jansen: Serenade ist Bernsteins Lieblingswerk

BR-KLASSIK: Ist das Violinkonzert "Serenade after Plato's Symposium" von Leonard Bernstein ein gutes Beispiel dafür?

Geigerin Janine Jansen mit ihrem Instrument | Bildquelle: Lukas Beck Bernsteins Serenade werde oft unterschätzt, sagt Geigerin Janine Jansen. Und: Es sei Bernsteins Lieblingswerk gewesen. | Bildquelle: Lukas Beck Janine Jansen: Ja. Es ist ein wunderbares Werk. Voller Klangreichtum, auch sehr lyrisch, dann versprüht es die bekannte Bernstein-Energie und Lust. Besonders zu spüren ist das im letzten Satz, der als großes Fest komponiert ist. Diese Serenade wird unterschätzt und nicht so oft gespielt, vielleicht wegen der ungewöhnlichen Besetzung mit Streichern, Harfe und viel Perkussion. Wahrscheinlich wird es auch daran liegen, dass es nicht "der" Bernstein ist, den wir alle kennen von seiner "West Side Story" und "Candide". Dieses Werk zeigt eine andere Seite des Komponisten. Dabei hat er es sehr geliebt. Als ich das Werk neulich in der New Yorker Carnegie Hall gespielt habe, war Bernsteins Tochter Jamie im Publikum. Nach dem Konzert haben wir uns kennengelernt und sie erzählte mir, dass diese Serenade das Lieblingswerk ihres Vaters gewesen sei. Ich finde es sehr gut komponiert mit verschiedenen Details und Themen, die immer wieder in allen Sätzen auftauchen. Mir macht es viel Spaß, es zu spielen, weil alles drin ist, was man sich wünschen kann. Und weil es über die Liebe geht.

Bernsteins Serenade: Ein Werk über die Liebe

BR-KLASSIK: Als Bernstein 1954 seine Serenade komponiert hat diente ihm als Grundlage Platons Symposium, ein fiktiver, philosophischer Debattierwettstreit über die Liebe im antiken Griechenland. Sogar Sokrates kommt zu Wort. Welche Aspekte der Liebe hat Bernstein aufgegriffen?

Janine Jansen: Wenn ich sage alle, ist das wahrscheinlich zu einfach. Was ich in der Musik liebe, ist, dass man etwas gar nicht benennen muss und darf. Man könnte viele Wörter finden, um den Charakter zu beschreiben: die göttliche Liebe, die lyrische Liebe, die unbegreifliche Liebe, der Spaß beim Flirten und am Ende die große Party, all das gibt es. Aber für mich ist es spannender, alles offen zu lassen.

BR-KLASSIK: Für den Komponisten Bernstein ist es typisch, dass er viele Stile beherrschte und bewusst mischte. Viele Musiksprachen kommen in der Serenade zusammen, vom Jazz bis zum spätromantischen Schmelz eines Wiener Walzers. Haben Sie einen Satz, eine Passage, mit der Sie am meisten anfangen können?

Janine Jansen: Es gibt verschiedene Stellen, die ich über alles liebe. Zum Beispiel der vierte Satz, das Herz des Werkes, der diese unglaubliche, lyrische, göttliche Liebe beschreibt. Man schwebt einfach, man fließt dahin, das ist einer der größten, höchsten Momente für mich. Dann das rhythmische Pulsieren und der dritte sehr kurze Satz, keine zwei Minuten lang, der ist vorbei, bevor man anfängt. Bernstein hat das so perfekt komponiert, es ist allerdings für alle Beteiligten im Orchester eine große Herausforderung, alle haben viel zu tun. Wenn es klappt, dann wird es am Ende ein großes Fest.

Janine Jansen und das BRSO live im Radio

Zur Radiosendung: Freitag, 28. März 2025, ab 20:03 Uhr auf BR-KLASSIK

Musik wirken lassen

BR-KLASSIK: Leonard Bernstein war der Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen und aus der Ukraine. Doch sein Name steht wie kaum ein anderer für "typisch" grenzüberschreitende US-amerikanische Musik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Was kann Ihrer Meinung nach das Publikum von diesem Stück und von Bernstein lernen?

Janine Jansen: Ich glaube, als Publikum kann man dieses Stück einfach auf sich wirken lassen und vielleicht in dieser halben Stunde nur spüren, dass wir da sind und über Liebe "reden". Es ist eine gute Möglichkeit, mal ein bisschen zu reflektieren und alles um einen herum auszuschalten und zu sich zu kommen.

Es ist eine gute Möglichkeit, mal ein bisschen zu reflektieren und alles um einen herum auszuschalten und zu sich zu kommen.
Janine Jansen über die Wirkung der Serenade von Bernstein

BR-KLASSIK: Als das Konzert vor mehr als einem Jahr geplant wurde, da sahen die USA anders aus als heute. Hat das auf Sie und Ihr Spiel irgendeinen Einfluss?

Janine Jansen: Auf mich als Person natürlich - und dann wahrscheinlich auch auf mein Spiel. Vor ein paar Wochen war ich mit diesem Stück auf Tournee in den USA. Selbstverständlich beschäftigt das einen sehr, was dort gerade passiert. Ich bin keine Politikerin, sondern sehr froh, Musikerin zu sein und auf dem Podium gemeinsam mit anderen Musikerinnen und Dirigenten über die Liebe sprechen zu können. Denn wir möchten verbinden und das halte ich in diesem Moment für wichtiger denn je.

Wir möchten verbinden und das halte ich in diesem Moment für wichtiger denn je.
Janine Jansen

Jansen spielt Shumsky-Stradivari

BR-KLASSIK: Sie spielen seit fünf Jahren auf der Shumsky-Rode Stradivari von 1715. Was ist für Sie das Besondere an diesem wertvollen Instrument?

Porträt von Janine Jansen mit ihrer Geige | Bildquelle: Marco Borggreve Die Lage in den USA beschäftigt Musiker. "Wir möchten verbinden und das ist gerade wichtiger denn je", sagt Janine Jansen. | Bildquelle: Marco Borggreve Janine Jansen: Zuletzt hat der legendäre Geiger Oskar Shumsky auf diesem Instrument gespielt. Er lebte in den USA und spielte das Instrument über 40 Jahre. Es gibt nicht so viele Aufnahmen von ihm, aber wenn ich ihn höre und natürlich seine Seele, die verbunden war mit diesem Instrument, dann ist das so unglaublich schön. Diese Stradivari hat eine große Historie. Der französische Geiger Pierre Rode, der bis heute wichtige Etüden für Geige-Solo komponiert hat, spielte auch auf diesem Instrument. All diese Künstler, ihre Biographien werden mit diesem Instrument weitergegeben. Dass ich das buchstäblich anfassen darf, empfinde ich jedes Mal als etwas Besonderes. Seit fünf Jahren ist diese Stradivari nun meine Stimme, verbunden mit ihrer großen Geschichte. Das ist für mich ein wunderbarer Gedanke, ein wunderbares Gefühl.

Album mit zwölf Stradivari-Geigen

BR-KLASSIK: 2021 haben Sie ein Album herausgebracht, auf dem Sie zwölf verschiedene Stradivaris spielen und porträtieren. Inwiefern hat dieses Projekt Ihr Geigenspiel, Ihre Klangvorstellung verändert?

Janine Jansen: Das war ein sehr schönes und einmaliges Erlebnis für mich. Ich spielte Top-Strads, darunter die zwei Kreisler-Strads, eine Vieuxtemps, insgesamt sehr verschiedene Instrumente, zum Teil selten gespielt. Mit diesen Geigen war ich also eine kurze, intensive Zeit zusammen. Jede hat ihren eigenen Charakter, die einen waren mir schnell vertraut, bei anderen dauerte es etwas länger oder ich kam nicht ganz zum Wesenskern des Instruments. Meine vertraute Shumsky-Rode Stradivari, die ja eine Leihgabe ist, hat mir gezeigt, wie persönlich diese Verbindung ist. Ich bin noch immer ganz verliebt in dieses Instrument. Es ist eine Verlängerung der Seele, meiner Stimme, von dem, was ich im Kopf höre. Die Erfahrungen auf den anderen elf Topinstrumenten waren super und schenken wieder einen anderen Blick auf das eigene Instrument. Insofern bin ich total froh, dass das von diesen zwölf doch mein Lieblingsinstrument ist.

Das BRSO mit Janine Jansen am 28. März 2025

William Grant Still: "Mother and Child" für Streichorchester
Antonin Dvořák: "Amerikanische Suite", op. 98b
Leonard Bernstein: "Serenade after Plato’s Symposium" für Violine, Streichorchester und Schlagwerk
George Gershwin: "An American in Paris"

Sendung: "Allegro" am 28. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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