Sein Musical "West Side Story" wurde weltberühmt. Als charismatischer Dirigent und virtuoser Pianist zog er sein Publikum stets in den Bann. Neun Fakten über den musikalischen "Tausendsassa" Leonard Bernstein.
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Ein Telefonklingeln veränderte sein Leben für immer. Im November 1943 wurde Leonard Bernstein angefragt, kurzfristig für den erkrankten Dirigenten Bruno Walter einzuspringen und ein Konzert der New Yorker Philharmoniker zu leiten. Bernstein, der damals erst 25 Jahre alt war, sagte spontan zu – und dirigierte das Orchester schon am folgenden Tag in der Carnegie Hall. Das legendäre Konzert brachte Bernstein auf die Titelseite der New York Times und machte ihn über Nacht einem großen Publikum bekannt. Gleichzeitig war er der jüngste Dirigent, der je am Pult der New Yorker Philharmoniker gestanden hatte. Später wurde Bernstein Musikdirektor dieses Orchesters – als erster US-Amerikaner.
Rita Moreno (Mitte) in einer Szene aus dem Film "West Side Story" nach dem gleichnamigen Musical von Leonard Bernstein aus dem Jahr 1961. | Bildquelle: picture-alliance/dpa "Romeo und Julia" auf amerikanisch: Das Musical "West Side Story" ist seit Jahrzehnten ein Welterfolg, geschaffen von Komponist Leonard Bernstein, Songtexter Stephen Sondheim, Autor Arthur Laurents und Choreograph Jerome Robbins. Die Premiere fand am 26. September 1957 in New York statt – und war revolutionär. Denn während Broadway-Musicals in den 1950er Jahren vor allem der leichten Unterhaltung dienten, zeigte "West Side Story" gesellschaftliche Missstände, rivalisierende Jugendgangs und Armut. Bernstein verband in seiner Musik auf geniale Weise Oper, Jazz und lateinamerikanische Tanzmusik. Songs wie "America", "Tonight" und "Somewhere" wurden echte Klassiker. Schon vier Jahre nach der Uraufführung kam "West Side Story" als Film in die Kinos und wurde mit zehn Oscars prämiert. Eine weitere Verfilmung des Kult-Musicals aus dem Jahr 2021 stammt von Regisseur Steven Spielberg.
Bernstein wurde 1918 in Massachusetts geboren, als Sohn jüdischer Eltern, die aus Riwne (heutige Ukraine) in die USA eingewandert waren. Seine Großmutter drängte darauf, dass er Louis heißen sollte. Die Eltern gaben klein bei, nannten ihren Sohn im Alltag allerdings Leonard. Als Teenager änderte Bernstein dann offiziell seinen Namen von Louis zu Leonard. Sein Spitzname wurde "Lenny".
Der BR-KLASSIK Musikkalender "Was heute geschah" zum 23. Dezember. Tausende Menschen haben sich in Berlin vor einer Videoleinwand versammelt. Leonard Bernstein dirigiert das Werk aus Freude über den Mauerfall.
Leonard Bernstein am Flügel, 1987 | Bildquelle: picture alliance / Everett Collection Als seine Tante Clara ein Klavier im Haus der Familie Bernstein zurückließ, begann der 10-jährige Bernstein, sich selbst das Instrument beizubringen. Bald stand sein Berufswunsch fest: Pianist! Sehr zum Entsetzen seines Vaters, der ihm daraufhin keinen Klavierunterricht mehr bezahlen wollte. Aber der junge Bernstein war pfiffig und verdiente sich die nötigen Dollars, indem er einfach jüngeren Kindern aus der Nachbarschaft Klavierstunden gab. Sein erstes öffentliches Konzert spielte er 1934. Leonard Bernstein studierte Musik an der Harvard University (wo er auch gern Stummfilmvorführungen am Klavier begleitete) und am Curtis Institute of Music. Später erlangte Bernstein einen guten Ruf als Dirigent am Klavier, unter anderem für eine Aufführung von Gershwins "Rhapsody in Blue" mit den New Yorker Philharmonikern 1976.
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George Gershwin - Rhapsody in Blue - Leonard Bernstein, New York Philharmonic (1976)
Leonard Bernsteins Art, mit Orchestern zu arbeiten, war ungewöhnlich. Statt auf Autorität und Disziplin setzte er auf Hingabe und positive Emotionen. Leonard Bernstein liebte nicht nur die Musik, sondern war auch ein Menschenfreund. Wenn er zur Probe kam, "hagelte es Umarmungen und Küsschen. Er war vom ersten Moment an völlig emotional", erzählt Florian Sonnleitner, ehemaliger Erster Geiger des BRSO. Und die Mezzosopranistin Gabriele Weinfurter (BR-Chormitglied bis 2023) erinnert sich noch an Bernsteins spezielle Dirigierbewegungen: "Die waren mehr ein Tanz". Mit seinem natürlichen Charisma und seiner schier unbändigen Energie nahm er die Musiker:innen und das Publikum gleichmaßen für sich ein.
"Das war eine seiner größten Fähigkeiten: seine Gabe, zu kommunizieren und seinen Enthusiasmus mit anderen teilen zu können", sagt Tochter Jamie Bernstein rückblickend. Das gelang Bernstein vor allem durch die legendäre Kinderkonzertreihe "Young People's Concerts", die live im Fernsehen übertragen und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Über 14 Jahre hinweg veranstaltete Bernstein insgesamt 53 dieser Konzerte und erklärte darin die Welt der Musik. "Ich lerne gern", so Bernstein über sich selbst, "ich bin ein ewiger Schüler und bin vielleicht deshalb ein ziemlich guter Lehrer." Im Rückblick gehörten die Kinderkonzerte für Bernstein zu den "wichtigsten, am höchsten geschätzten Tätigkeiten" seiner Karriere.
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Leonard Bernstein - Young People's Concerts - What Does Music Mean? (1958) - Best scene (Remastered)
Der US-Amerikaner Leonard Bernstein dirigierte am 25. Dezember 1989 das mit einem internationalen Ensemble besetzte Ost-West-Konzert in Berlin. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Am 23. und 25. Dezember 1989 wurde Leonard Bernstein die Ehre zuteil, die Festkonzerte zur Feier des Falls der Berliner Mauer in der Philharmonie in West-Berlin und im damaligen Schauspielhaus in Ost-Berlin zu dirigieren. Musiker:innen aus mehreren Ländern waren dazu nach Berlin gekommen, darunter auch der BR-Chor und Mitglieder des BRSO. Auf dem Programm stand Beethovens Neunte Symphonie. Im berühmten vierten Satz mit Schillers "Ode an die Freude" ließ Bernstein Solisten und Chor statt des originalen "Freude" das Wort "Freiheit" singen. In einer Aufnahme der "Deutschen Grammophon" ist dieses Ereignis festgehalten.
Leonard Bernstein: Highlights aus über 1.000 Ton- und Videoaufnahmen
1951 heiratete Leonard Bernstein die Schauspielerin Felicia Montealegre – das Paar bekam drei Kinder. "Ich liebe sie (Felicia), trotz all der Blockaden, die meinen Liebesmechanismus ständig behinderten", so Bernstein. Denn er fühlte sich immer wieder zu Männern hingezogen. Felicia versuchte die homosexuellen Affären ihres Mannes zu ignorieren, doch 1976 kam es zum vorläufigen Bruch. Bernstein zog mit seinem Studenten Thomas Cothran zusammen. Vor einer Aufführung der 14. Symphonie von Schostakowitsch entschließt er sich zu einem Coming-out: "Als ich dieses Werk einstudierte, erkannte ich, dass ein Künstler, wenn der Tod sich nähert, alles eliminieren muss, was ihn daran hindert, in völliger Freiheit kreativ zu sein. Ich habe das für mich selbst auch so beschlossen, damit ich den Rest meines Lebens so leben kann, wie ich es möchte." Nach vier Monaten kehrte Bernstein zu Felicia zurück.
Bradley Cooper spielt den Musiker und Kettenraucher Leonard Bernstein im Film "Maestro" (2023) | Bildquelle: Netflix Als der Schauspieler Bradley Cooper im Film "Maestro" Leonard Bernstein verkörperte, hatte er die wohl ungesundeste Rolle seines Lebens: In beinahe jeder Szene sieht man ihn mit einer Zigarette im Mundwinkel, sogar während einer Chorprobe. Coopers Recherche nach ein authentische Darstellung Bernsteins, denn er war Kettenraucher. Der Dirigent Bramwell Torey erinnert sich: "Bernstein war im Barbican in London, wo das Rauchen streng verboten war. Überall waren 'Nicht Rauchen'-Schilder. Bernstein rauchte trotzdem, sogar direkt auf der Bühne." Schwer lungenkrank und im Rollstuhl verbrachte er seine letzten Lebenswochen. Leonard Bernstein starb am 14. Oktober 1990 in New York. Das Rauchen hatte er bis zuletzt beibehalten.
Leonard Bernstein steht im Festtagsprogramm als Dirigent und Komponist im Mittelpunkt: Die Feiertagsmatinée am 26. Dezember ab 10:05 Uhr präsentiert Bernstein am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks mit CD-Neuerscheinungen aus einem Beethoven-Konzert von 1976 – darunter die dritte "Leonoren-Ouvertüre" und die Fünfte Symphonie – sowie Schumanns Zweite Symphonie aus dem Jahr 1983.
Ein besonderes Highlight gibt es am 27. Dezember in einem Double Feature: Per Zufall hat sich ein Probenmitschnitt von 1987 erhalten, als Bernstein mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die "Große C-Dur-Symphonie" von Schubert erarbeitete. Dieser Sensationsfund läuft in der Reihe "Dirigenten bei der Probe" ab 19:05 Uhr. Die Konzertaufführung folgt direkt im Anschluss ab 20:03 Uhr.
In einem weiteren Teil von "Dirigenten bei der Probe" steht am 3. Januar ab 19:05 Uhr ein Werk von Leonard Bernstein im Zentrum: Symphonie Nr. 2, "The Age of Anxiety", die Antonio Pappano leitet. Solist ist der Pianist Kirill Gerstein. Auch diese Konzertaufführung ist am selben Abend ab 20:03 Uhr zu hören.
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