Runde Geburtstage bestimmen die neue Saison der musica viva. Gründer Karl Amadeus Hartmann kommt ebenso zum Zug wie Hans Werner Henze. Zum Auftakt geben Gäste aus Südkorea und der Ukraine den Ton an.
Bildquelle: © BR/LMN-Berlin
Das Prinzregententheater im weitgehend zerbombten München ist nur notdürftig wieder hergerichtet, als Karl Amadeus Hartmann im Oktober 1945, nur wenige Monate nach Kriegsende, das erste Konzert einer neu gegründeten Reihe gibt. Es soll eine Plattform sein für jene Musik, die während der Kriegsjahre verfemt war – oder aus anderen Gründen keine Chance hatte, aufgeführt zu werden. Nach schwierigen Anfangszeiten mit vielen Umzügen und Improvisationen manifestiert sich 1947 der Name musica viva auch als Symbol und Versprechen: Die Musik im "Hier und Jetzt", sie lebt. Als dann ein weiteres Jahr später, 1948, der Bayerische Rundfunk mitsamt Orchester und Chor als Paten einsteigen, ist der Weg für ein internationales und finanziell abgesichertes Format geebnet.
Zum 80-jährigen Jubiläum feiert die musica viva ihren Gründer Karl Amadeus Hartmann, der vor 120 Jahren geboren wurde, im ersten Orchesterkonzert mit dem BRSO im Oktober 2025 unter der Leitung von Duncan Ward und Hartmanns Achter Symphonie. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich den diesjährigen Gewinner des "Happy-new-ears"-Preises für Komposition kennenlernen: Alberto Posada, der sich gerne von der Mathematik inspirieren lässt, wie in seinem "Königsberger Klavierkonzert", bei dem eine historische Formel von Leonhard Euler Dreh- und Angelpunkt ist.
Chefdirigent Simon Rattle steigt dann im Februar 2026 ins Geschehen ein mit zwei Aufführungen des historisch-skandalumwitterten Oratoriums "Das Floß der Medusa" von Hans Werner Henze. Henze ist der zweite Jubilar der Spielzeit, der vor 100 Jahren geboren wurde: am 1. Juli 1926. Das Stück basiert auf der wahren Geschichte eines im Meer zurückgelassenen Teils der französischen Flotte. Schon von den Zeitgenossen im frühen 19. Jahrhundert als Allegorie auf Staatsversagen und politischen Machtmissbrauch gedeutet, bekam das Werk von Henze durch die Uraufführungs-Umstände im Umfeld des Vietnam-Kriegs, der Ermordung von Che Guevara und des Attentats auf Rudi Dutschke einen Drive, der bis heute nachhallt.
Im selben Februar-Konzert wird Jörg Widmann ein neues Klarinettenkonzert von Olga Neuwirth aus der Taufe heben. Die Österreicherin ist eine unter mehreren ehemaligen Siemens-Musikpreisträger:innen, die das musica viva-Programm prominent schmücken. Dazu kommen George Benjamin, Beat Furrer und Pierre-Laurent Aimard, der im Dezember für zwei Konzerte anreist: einmal mit Bach und Mark Andre im Gepäck, tags darauf dann als Solist im Klavierkonzert von Clara Iannotta.
Hier finden Sie alle Infos, Namen und Konzertdaten geordnet auf der website der musica viva
Den Auftakt der musica viva-Reihe im September dürfen Gäste aus Südkorea und der Ukraine bestreiten: das Busan Philharmonic Orchestra unter seinem Chef Seokwon Hon debütiert in München u.a. mit Musik der international renommierten Komponistin Younghi Pakh-Paan. Die aus Südkorea stammende und seit Langem in Deutschland lebende Künstlerin bringt zwei zeitlich weit auseinanderliegende Stücke ihres breiten Werkkatalogs mit, darunter das Protest-Werk "Sori", eine Reflektion auf das Massaker von Kwangju im Mai 1980.
Besonders glücklich zeigt sich musica viva-Intendant Winrich Hopp über die kurzfristig arrangierte Kollaboration mit "Senza Sforzando", dem führenden ukrainischen Ensemble für Zeitgenössische Musik, das eng mit dem populären Festival "Two Days and two Nights of New Music" in Odessa verbunden ist. Beim Konzert in der Allerheiligen Hofkirche werden ukrainische Komponistinnen und Komponisten verschiedener Jahrgänge aufgeführt.
Auch Kammermusik-Höhepunkte sind wieder mit dabei im Portfolio der neuen musica viva-Saison. Mit dem Trio Coriolis und Musik u.a. des Meisters der "Reinen Stimmung" Wolfgang von Schweinitz; mit Streichquartetten von Jörg Widmann oder mit der jungen Cellistin Valerie Fritz und einem Projekt mit Musik von Georg Friedrich Haas, Philipp Maintz und Thomas Lacôte.
Kommentare (0)