Max Richter, Jahrgang 1966, geboren im niedersächsischen Hameln, ist einer der ganz Großen der boomenden Neo-Klassik-Szene. Seine Musik zelebriert den ästhetischen Klang. Sie lebt vom Einfachen, das ins Rauschhafte mündet. Es geht um absolute Harmonie und ganz viel Emotionen – aber nicht nur.
Bildquelle: Mike Terry
Auf Fotos wirkt Max Richter eher ernst. Zumeist ist er dunkel gekleidet, gerne mit Rollkragenpulli, irgendwie existentialistischem Touch also. Das wirkt wie eine Erinnerung an die Wurzeln seiner so erfolgreichen Musik: den Minimalismus.
Die ganz frühe Prägung gibt es für den gerade mal dreijährigen Max durch Violin-Musik von Bach auf dem Plattenspieler der Eltern. Der Wunsch, die Sprache des Klangs zu lernen, ist ganz früh da und er übt sie von klein auf am Klavier. Später - eine schöne Geschichte, die Max Richter gerne erzählt -, ist es ein Milchmann im englischen Bedford, wo er als Teenager wohnt, der ihn mit anderem Stoff in Berührung bringt: die Minimal Music von John Cage und Philipp Glass. Und dann entdeckt er Kraftwerk. Ein regelrechter Wendepunkt, wie er selbst es bezeichnet, denn für ihn gibt es nach dem Kauf des Albums "Autobahn" ein Leben davor und danach – und zum Klavier kommt der Synthesizer.
Im Studium in Florenz, bei Luciano Berio, lernt Max Richter, dass Musik ein Weg sein kann, um zu kommunizieren, "um mit den Menschen über Dinge zu sprechen, die mir wichtig sind", sagt er im BR-KLASSIK-Interview. Er entdeckt, dass es die Tonalität ist, mit der er sich verständlich und ganz direkt ausdrücken kann. Sich für sie zu entscheiden, ist nicht ganz leicht. Denn, so erinnert sich Richter heute: "Als ich in den 1980er Jahren studierte, war man quasi ein Idiot, wenn man tonale Musik schrieb." Aber seine Entscheidung, sich auf diese eine Sache zu fokussieren, ist für ihn einfach logisch: Tonalität, so Richter, sei nichts anderes als die Verlängerung der Naturtonreihen. Ein physikalisches Prinzip, "Teil des gesamten Universums".
Das komplette Interview mit Max Richter über sein Verhältnis zur Natur und sein aktuelles Album "In a Landscape" gibt es hier.
Nach Stationen in Großstädten wie London und Berlin hat sich Max Richter aus der Welt, die er in Interviews auch mal als laut und kaputt beschreibt, aufs Land zurückgezogen. Er lebt mit seiner Frau, der Künstlerin Yulia Mahr, und drei Kindern im englischen Oxfordshire, eine Stunde mit dem Zug von London entfernt, mitten im Wald. Seine Musik entsteht dort in einem umgebauten Traktorschuppen. Hier ist sein Klanglabor: mit mehreren Flügeln, Synthesizern und recycelter Bandmaschine. Dazu gibt es ein Mischpult und Computer mit der üblichen Musiksoftware. Sein Leben sei, wie das von ganz vielen Menschen heutzutage, stark mit Technik verbunden, sagt Richter. "Wir haben es mit abstrakten Materialien zu tun, mit viel Kopfarbeit, mit strategischem Denken. Es gibt mir viel, einen ausgleichenden Fokus zu haben. Es ist gesund, Natur in der Nähe zu haben."
Max Richters Musik ist eine Reaktion auf das, was ihn und uns umgibt. Im Kleinen und im Großen, also auch in Hinblick auf die Lage der Gesellschaft. So lassen sich seine Platten ein bisschen auch wie eine Chronik unserer Zeit lesen: Das erste Solo-Album "Memoryhouse" erscheint in den 90er-Jahren, reagiert mit Stücken wie "Sarajevo" auf den Bosnienkrieg. Dann in den Nullerjahren mit "The Blue Nobebooks" der Durchbruch. Diesmal ist es der Irak-Krieg, der Richter beim Komponieren beschäftigt. Tilda Swinton liest Texte von Franz Kafka und Czeslaw Milosz. Alles ganz schön düster. Ein Stück des Albums heißt "On the Nature of Daylight". Eine vermeintlich einfache Melodie getragen von Streichern, die uns mitnehmen in einen Rausch der Melancholie. "On the Nature of Daylight" hat bei Spotify mittlerweile über 126 Millionen Aufrufe. Das Stück hat es in zig Filme und Serien geschafft, darunter Hollywoodblockbuster wie "Shutter Island" und "Arrival" oder die Serie "The Handmaid’s Tale". Perfekte Untermalung für die emotionale Grundstimmung unserer Zeit also.
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Eine weitere Grundstimmung mit seiner Musik abzuholen, das will Max Richter nun mit seinem aktuellen Album. "In a Landscape" hat mit der Idee zu tun, Dinge zu versöhnen. Es geht darum, die allgegenwärtige Polarisierung zu überwinden. Denn, davon ist Richter überzeugt, Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten seien durchaus in der Lage, eine Einigung zu finden, anstatt sich nur anzuschreien und nicht zuzuhören. "Ich wollte, dass sich die Platte wie ein ruhiges persönliches Gespräch zwischen zwei Menschen anfühlt, die sich gut kennen."
Sendung: "SWEET SPOT" am 5. Dezember ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
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