Ganz ohne Musikstudium die Bühnen dieser Welt erobern – viele Klassikkünstler würden Florian Christl vermutlich einen Vogel zeigen. Aber der Pianist aus Amberg in der Oberpfalz zieht seinen Traum von einer Musikkarriere durch. Das nächste Kapitel seiner Erfolgsgeschichte: sein neues Album "Donau", auf dem er den gigantischen Fluss zum Klingen bringt.
Bildquelle: Juergen Schell
Einfach mal rausgehen und die eigene Musik unter die Leute bringen – eine Mission, die viele Straßenmusikerinnen und -musiker haben. Mit einer Gitarre um den Hals, kein Problem. Aber wie macht man das als Pianist? Naja, Rollen hat so ein Klavier ja sowieso – und warum das gute Stück nicht einfach auch in den Lieblingspark, auf den Münchner Olympiaberg oder an den Kiesstrand eines Flusses karren? Klingt nach viel Aufwand, aber dem 33-jährigen Florian Christl ist das alle Mühe wert. "Das hat mir immer riesig Spaß gemacht, in so einer ungewohnten Umgebung zu spielen und die Leute zu sehen, wie sie ein Klavier und Musik an Orten entdecken, wo sie nicht damit rechnen."
Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann mache ich das auch!
Der Wunsch, später einmal etwas mit Musik zu machen, reift schon sehr früh in Florian heran. In Amberg in der Oberpfalz wächst er auf, inmitten traditioneller bayerischer Volksfeste. Und auf so einem Fest verliebt er sich prompt in sein erstes Instrument: das Akkordeon. Er nimmt Unterricht und probiert sein Können schließlich auch auf dem Klavier aus. Nach der elften Klasse ist Schluss mit dem Instrumentalunterricht – aber der Wunsch, die Musik zum Beruf zu machen, ist noch da.
Ganz kurz keimt in Florian die Idee auf, Komposition zu studieren. Wird erstmal nichts – macht nichts. Sein Studium mündet eher in ein Selbststudium. Nicht nur was das Klavierspielen angeht, auch das Komponieren. Er habe damals viel ausprobiert, erklärt Florian im BR-KLASSIK-Interview, auch erste eigene Kompositionen am Klavier. Und nicht zuletzt habe er sich auch viel von anderen Musikerinnen und Musikern abgeschaut. "Ich habe mir da zwar oft gedacht: Die sind besser als ich. Aber ich musste einfach lernen, meinen eigenen Weg zu gehen, meinen Stil zu entdecken." Den Stil, den er da gefunden hat, würden viele als Neoklassik bezeichnen: verträumte, vor sich hinfließende, minimalistische Klaviermusik, die an Yann Tiersens "Die fabelhafte Welt der Amelie" erinnert, oder an Stücke von Ludovico Einaudi. Florian freut sich über solche Vergleiche, findet aber, dass der Begriff Neoklassik nicht so ganz widerspiegelt, was er da eigentlich macht.
Mag lieber den Begriff Neoromantik als Neoklassik: der Pianist Florian Christl | Bildquelle: Florian Christl In Florian Christls Musik gibt es keine formalen Vorgaben, er lässt sich, ähnlich wie die Komponisten der Romantik, von seinen Emotionen treiben, wie ein kleiner Tropfen in einem großen Fluss. Passenderweise heißt sein neues Album "Donau", auf dem Florian die Idee seiner "Neoromantik" konkretisiert. Das Ganze erinnert ein bisschen an Bedrich Smetanas Tondichtung "Die Moldau": Florian Christl nimmt uns mit auf eine Reise entlang der Donau, von der Quelle bis zur Mündung. Eine Reise, die er selbst auch angetreten ist, um bei Städtetrips musikalische Ideen aufzuschnappen oder bei einer Kanufahrt im Donaudelta die besondere Stimmung dieses Flusses in sich einzusaugen. Seine eigenen Wurzeln packt Florian ebenfalls auf dieses Album, in Zusammenarbeit mit der Seeger Saitenmusik, einem bayerischen Volksmusikensemble. Er lädt die Münchner Klassikprominenz in Form von Cellistin Raphaela Gromes ins Studio ein und auch sein alter Freund, das Akkordeon schwappt zwischen den Wellen seiner Donau hervor.
Zwischen Romantik und Pop: Die zehn besten Stücke der Neoklassik
Florian Christl wollte aber nicht nur dieses Naturschauspiel, den zweitlängsten Fluss Europas vertonen. Auf "Donau" gehe es um Europa allgemein, um Veränderung, aber auch um Zusammenhalt – denn die Donau verbinde ja uns in Bayern auch mit dem Schwarzen Meer und damit mit der Ukraine und dem Krieg vor Ort. Als Russlands Präsident Putin das Feuer auf die Ukraine eröffnet, steht Florian unmittelbar vor seiner Tour durch Russland – denn er hat eine große Fangemeinde im Osten. Die Tourabsage: eine Entscheidung, die schmerzt, aber das einzig richtige Zeichen war, meint Florian heute. Dass es ihm wichtig ist, Solidarität mit der Ukraine zu zeigen, merkt man auch an einem besonderen musikalischen Gast auf seinem Album: das Sextett "Odessa Six", bestehend aus Musikerinnen und Musikern des Odessa Opera Orchestra, die aus der Ukraine geflohen und in Marktoberdorf im Ostallgäu Unterschlupf gefunden haben.
Auch wenn das Album eine wahnsinnig schöne Botschaft transportiert, war der Weg dahin für Florian Christl nicht gerade einfach. Nach einem intensiven Tag, an dem Florian mit seinem Tonmeister die allerersten Aufnahmen für "Donau" durchgesprochen hatte, spürt er auf einmal einen extremen Druck in der Brust – später im Krankenhaus stellt sich heraus: Florian hatte einen Herzinfarkt, mit gerade mal 33 Jahren. So schockierend diese Nachricht klingt, umso erstaunlicher ist es, wie schnell Florian sich wieder aufrappelt: Nach nur drei Wochen auf der Intensivstation und ein paar Wochen Reha-Klinik übt er für seinen bisher größten Auftritt im Münchner Prinzregententheater.
Man sieht die Welt danach schon ein bisschen anders.
Er habe durch diesen Vorfall gelernt, sein Leben mehr zu schätzen und manche Dinge entspannter anzugehen. Ein Credo, das Florian auch an das Publikum weitergeben möchte: "Ich will mit meiner Arbeit Momente schaffen, wo man mal für eine Minute den Kopf ausmachen und sich nur der Musik hingeben kann."
Sendung: SWEET SPOT am 7. November ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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