Was bieten die Salzburger Festspiele im nächsten Sommer? Was hat der neue Konzertchef Axel Hiller vor? Und wie geht es nach der fristlosen Kündigung der Schauspielchefin Marina Davydova mit der Theatersparte weiter? Antworten dazu gab’s heute bei der Pressekonferenz des Direktoriums in Salzburg.
Bildquelle: BR/Herbert Ebner
Die drängenden Journalistenfragen kamen natürlich am Ende: Was es denn mit der fristlosen Entlassung von Schauspielchefin Marina Davydova auf sich habe? Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser zog sich in seiner Antwort auf den rein juristischen Standpunkt zurück: Verträge seien eben einzuhalten – und Davydova habe gegen vertragliche Dienstpflichten verstoßen.
Erst zwei Tage vor der Entscheidung, das Dienstverhältnis mit der russischen Theatermacherin aufzulösen, habe man - aus den Medien - von ihrem ungenehmigten Engagement bei einem Berliner Theaterfestival erfahren. Alle anderweitigen Spekulationen seien falsch. Aber dann entfuhr dem Intendanten doch das Wort "Vertrauensbruch", was man auch als Eingeständnis unterschiedlicher Auffassungen darüber interpretieren kann, was für eine Art von Theater für die Salzburger Festspiele wünschenswert sei. Davydova zumindest will ihren Rauswurf nicht hinnehmen. Ihr Anwalt argumentiert, sie habe unentgeltlich und nur beratend gearbeitet.
Intendant Hinterhäuser konnte so kurzfristig noch keine Neubesetzung der Schauspielsparte präsentieren, bis dahin verantwortet er selbst das noch komplett von Davydova geplante Programm – aus dem eine Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater der "Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus herausragt. Eine Tragödie als Reflex über die Erfahrung des Ersten Weltkriegs aus der Gründerzeit der Salzburger Festspiele – für Hinterhäuser ein "aktueller Warnruf vor dem Ende der liberalen Demokratie".
Der frisch gekürte neue Konzertchef Axel Hiller war nicht anwesend an diesem Vormittag in der Salzburg-Kulisse. Der 35-jährige Österreicher kommt aus dem Betriebsbüro der Wiener Symphoniker und hat bereits einige Jahre Erfahrung im Konzertbüro der Salzburger Festspiele vorzuweisen. Dafür verabschiedete sich der im Frühjahr 2025 scheidende Konzertchef Florian Wiegand vorerst von den zahlreich anwesenden Medienvertretern und Kulturjournalistinnen. 13 Jahre lang habe er mit seinem Team das umfangreiche Konzertprogramm der Festspiele mit Leidenschaft gestaltet – bis Wiegand das Angebot, ab Herbst 2025 neuer Intendant der Münchner Philharmoniker zu werden, in seine Geburtsstadt zurückgelockt habe.
Die Salzburger Festspiele finden vom 18. Juli bis 31. August 2025 statt. Mit 174 Opern-, Theater- und Konzertaufführungen stehen rund 222.700 Tickets für Kunstliebhaber:innen bereit. Trotz düsterer Themen verspricht Intendant Markus Hinterhäuser ein Programm, das inspiriert und zum Nachdenken anregt. Von Händel bis Mozart, von Sciarrino bis Schönberg - Infos, Termine und Karten gibt es hier.
In "höchst beunruhigen Zeiten" hat Markus Hinterhäuser die Festspiele 2025 unter das Motto "Ich werde in den Tod geboren" gestellt, das er dem Endspiel-Meister Samuel Beckett entlehnt hat. So sei die Apokalypse des Johannes eben auch eine Offenbarung gewesen – jede Krise berge ja auch eine Utopie. Macht- und Endspiele charakterisieren das Musiktheaterprogramm, das von je einer Barockoper eröffnet und beschlossen wird. Zum Auftakt debütiert Regisseur Dmitri Tcherniakov mit Händels "Giulio Cesare in Egitto" in Salzburg, einem laut Hinterhäuser "nihilistischen Kampfplatz", der für Cäsar und Kleopatra tödlich endet. Emmanuelle Haïm leitet ihr Originalklang-Ensemble Le Concert d’Astrée.
Zwar hat der eigenwillige Regisseur Ulrich Rasche in Salzburg bereits zwei gefeierte Theaterproduktionen inszeniert, aber bei den Festspielen noch keine Oper. Das holt er jetzt nach – mit Donizettis "Maria Stuarda". Das könnte spannend werden, wenn Rasche dieses Königinnen-Drama in seine monumentalen stählernen Bühnenmaschinen zwängt. Lisette Oropesa als Titelheldin und Kate Lindsay als Elisabetta duellieren sich auf höchstem Niveau, Antonello Manacorda leitet die Wiener Philharmoniker – durchaus mit historisch informiertem Ansatz.
Einmal mehr vertraut Hinterhäuser seinem altgedienten Weggefährten Peter Sellars eine Neuinszenierung an – bei der Video-Präsentation des esoterischen Gurus verriet der Intendant, dass er der “poetischen Kraft” von Sellars regelmäßig verfalle. Hinter dem Titel “One Morning Turns into an Eternity” verbirgt sich ein packendes Double-Feature: Zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter Esa-Pekka Salonen und den Wiener Philharmonikern koppelt Sellars Arnold Schönbergs "Erwartung" mit dem "Abschied" aus dem "Lied von der Erde" seines großen Vorbilds Gustav Mahler. Das "Fieberprotokoll einer verstörten Frau" treffe hier auf "kosmologische Tröstung", so Hinterhäuser.
Auch 2025 lockt das Festival mit prominenten Künstlern. August Diehl spielt in Kirill Serebrennikows Inszenierung von "Der Schneesturm", während Christoph Waltz als Sprecher in Strawinskys "Oedipus Rex" zu erleben sein wird.
Schließlich dirigiert Maxime Pascale ein Orchester des Klangforum Wien in der ersten und erfolgreichsten Oper des erst im März verstorbenen Peter Eötvös: Seine Tschechow-Adaption "Drei Schwestern" von 1998 hat Eötvös mit drei Countertenören besetzt. Inszenieren wird das in der Felsenreitschule der gehypte Evgeny Titov, wie Tcherniakov und der im Schauspiel gleichfalls debütierende Kirill Serebrennikov Russe. Was Anlass zu der Frage gab, ob dieser russische Schwerpunkt 2025 Absicht oder Zufall sei? Hinterhäuser outete sich daraufhin zumindest als Fan der Russischen Klavierschule, die mit Daniil Trifonov, Evgeny Kissin, Grigory Sokolov, Yulianna Avdeeva und Igor Levit repräsentativ vertreten ist.
Die Wiederaufnahme des erfolgreichen Verdi-"Macbeth" vom vergangenen Sommer mit Salzburg-Star Asmik Grigorian, die unter dem Label "A Diva is Born" auch einen Liederabend gibt, kombiniert Hinterhäuser mit der konzertanten "Macbeth"-Version von Salvatore Sciarrino. Überhaupt gibt es diesmal mehr konzertante Oper als sonst, darunter immerhin zwei Mal halbszenischer Mozart, für Salzburg unverzichtbar: "Zaide oder Der Weg des Lichts" heißt ein Projekt, das der Dirigent Raphael Pichon mit seinem Ensemble Pygmalion aus Mozart-Musik der Jahre 1779 bis 1785 collagiert. Und zum Thema Machtspiele passt auch der frühe "Mitridate, Re di Ponto". Für Vokalkulinariker gibt es noch Umberto Giordanos "Andrea Chénier" mit Piotr Beczala, Luca Salsi und Elena Stikhina in den Hauptrollen.
Und Teodor Currentzis ist 2025 auch wieder dabei – mit seinem Utopia Orchester, das er für seine Auftritte im Westen gegründet hat. Markus Hinterhäuser hält Künstlern, von denen er zutiefst überzeugt ist, nach wie vor die Treue. Currentzis beschließt die Opern-Serie mit konzertanten Aufführungen der Tragödie "Castor et Pollux" von Jean-Philippe Rameau. Und ist mit Utopia auch im üppigen Konzertprogramm vertreten, das noch einmal die Handschrift von Florian Wiegand trägt. Die "Ouverture spirituelle" steht unter dem Motto "Fatum – Schicksal" und startet stark mit Hans Werner Henzes Agitprop-Oratorium "Das Floß der Medusa" unter dem Avantgarde-Spezialisten Ingo Metzmacher.
Konzert-Highlights und Jubiläen: Große Namen und Gedenkfeiern
In der Konzertserie mit den Wiener Philharmonikern ist erstmals Lorenzo Viotti dabei. Bei den Gastorchestern kehrt nach langer Zeit das Amsterdamer Concertgebouw Orchester nach Salzburg zurück – am Pult steht der designierte Chefdirigent Klaus Mäkela. Und mit besonderem Herzblut sind wieder die Schwerpunkte zu Komponisten-Jubiläen gestaltet: Unter dem Motto "D-S-C-H" erinnern Pianist:innen wie Igor Levit, Evgeny Kissin und Yulianna Avdeeva an den 50. Todestag von Dmitri Schostkowitsch. Und unter dem Titel einer Nono-Komposition – "À Pierre" – ehren die Salzburger Festspiele eine ihrer bedeutendsten Künstler-Persönlichkeiten zum 100. Geburtstag: Pierre Boulez.
Sendung: "Leporello" am 3. Dezember 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
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