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Premieren-Bilanz Bayreuth 2024 Müde, aber glücklich

Drei Dirigentinnen, ein Belcanto-Siegmund und heiß diskutierte Zukunftspläne: Viel Gesprächsstoff bei den Bayreutehr Festspielen. Was die musikalische Seite betrifft, zeigte sich die Werkstatt Bayreuth von ihrer besten Seite.

Festspielhaus,A ussenaufnahme, Gebäude mit Goldenen Wagner Figuren auf der gruenen Wiese, Eröffnung der Bayreuther Richard Wagner Festspiele 2024  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Müde, aber glücklich. So lässt sich das Gefühl wahrscheinlich am besten beschreiben, wenn nach einer dicht gepackten Bayreuther Premieren-Woche der letzte Akkord der "Götterdämmerung" verklungen ist, die Bravos fürs Ensemble und Buhrufe fürs Regieteam verhallt sind und man ein letztes Mal den Grünen Hügel hinunterwandert. Acht Wagner'sche Musikdramen und zwei Konzerte in zehn Tagen, das ist nicht nur fürs Festspielorchester und den Chor ein echter Marathon.

Der "Ring" verbindet

Auch unter den Zuschauerinnen und Zuschauern sind nicht wenige, die ihren kompletten Urlaub investieren, um das komplette Programm mitzunehmen. Und so eine Wagner-Woche hat immer auch eine gewisse soziale Komponente. Wenn man im Laufe der vier "Ring"-Abend mit seinen Sitznachbarn immer mehr ins Gespräch kommt, in der Pause gemeinsam durchs Kneippbecken oberhalb des Festspielhauses watet und zu einer kleinen Familie auf Zeit zusammenwächst.

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Das Video der Eröffungspremiere, Live-Mitschnitte, Kritiken und Hintergrundberichte finden Sie hier.

Mehr Frauen als Männer in Orchestergraben

Auch in musikalischer Hinsicht wurden in der Werkstatt Bayreuth wieder alte Freundschaften gepflegt und neue Beziehungen geknüpft. Besondere Aufmerksamkeit lag dabei auf dem Geschehen im Orchestergraben, wo zum ersten Mal in der 148-jährigen Festspielgeschichte mehr Dirigentinnen als Dirigenten ihres Amtes walteten. Zu Oksana Lyniv und Nathalie Stutzmann, die erneut für den "Fliegenden Holländer" bzw. den "Tannhäuser" ans Pult traten gesellte sich hier Simone Young. Sie leitete als erste Frau den "Ring des Nibelungen".

Simone Young bringt Stabilität in Wagners "Ring"

Ein lang überfälliges Debüt. Oder besser gesagt: eine Rückkehr. Immerhin war Young zu Beginn ihrer Karriere schon als Assistentin von Daniel Barenboim auf dem Grünen Hügel und hat sich danach gerade als Wagner-Interpretin einen guten Namen gemacht. Trotzdem gab es in den Sozialen Medien im Vorfeld natürlich die erwartbaren Kommentare über Quotenfrauen und andere Machosprüche. Umso schöner war es daher zu erleben, wie der Jubel für Simone Young von Tag zu Tag immer noch lauter wurde. Und das mit Recht! Sie hatte den Graben souverän im Griff und brachte der umstrittenen Produktion endlich die nötige Stabilität. Die Inszenierung von Valentin Schwarz will sich zwar auch im dritten Jahr nicht so ganz runden. Trotzdem hat sein "Ring" auch sehr viele unglaublich starke Momente, die von den Buhrufern gern übersehen werden.

Neue Namen mit Zukunftsperspektive

Wie schon im letzten Jahr hatte sich das Besetzungskarussell auch in der dritten Runde dieses "Rings" wieder ordentlich gedreht. Neben einer Rundumerneuerung in den zentralen Tenorpartien, begegnete man ebenfalls in den Nebenrollen einigen Namen, mit denen man in Bayreuth künftig noch das ein oder andere vorhat. Mit der größten Spannung wurde hier wahrscheinlich das Debüt von Michael Spyres als Siegmund erwartet. Ein Sänger, der sich vor allem bei Rossini und im französischen Repertoire profiliert hat und einen echte Belcanto-Siegmund hinlegt. Ein sensationeller Einstand, der neugierig macht aufs kommende Jahr, wenn er bei den neuen "Meistersingern" mit von der Partie sein wird. Ebenso wie Sopranistin Christina Nilsson, die als Freia und dritte Norn auf sich aufmerksam machte.

Angebote für die Wagnerfans von morgen und übermorgen

Für viel Gesprächsstoff hatte in den Pausen neben der "Tristan und Isolde"-Premiere auch eine abenteuerliche Äußerung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gesorgt. Sie hatte angeregt, das Festspielhaus auch für die Werke anderer Komponisten zu öffnen, um Bayreuth "vielfältiger, bunter" sowie "für ein jüngeres Publikum attraktiver" zu machen.

Ein Gedankenspiel, das ignoriert, dass sich seit dem Amtsantritt von Festivalleiterin Katharina Wagner bereits einiges getan hat, um die einst so elitären Festspiele einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die Eröffnungspremiere konnte, wie seit 2010 üblich, auch in zahlreichen Kinos sowie als Live-Stream zuhause mitverfolgt werden. Und auch die jährliche Kinderoper ist längst ein fester Bestandteil der Festspiele. Wobei immer wieder die Kreativität beindruckt, mit der man die gewichtigen Musikdramen hier zielgruppengerecht für das Publikum von übermorgen aufbereitet.

Bayreuther Festspiele öffnen sich neuen Ideen

Und auch, was die Erweiterung des Bayreuther Kanons betrifft, ist man den Forderungen Claudia Roths bereits weit voraus. Zumindest, was die beiden gratis Open Air-Konzerte betrifft, die von "Tannhäuser"-Dirigentin Nathalie Stutzmann bestritten wurden. "Hänsel und Gretel" fehlten hier zwar, doch gab es ein Programm zu hören, das sich von den obligatorischen Wagner-Highlights über Bach und Tschaikowsky bis hin zu Andrew Lloyd-Webbers "Phantom der Oper" erstreckte. Eine bunte Mischung, die an beiden Abenden ein ähnlich bunt gemischtes Publikum auf den Grünen Hügel lockte.

Student sparte Monate für eine Karte

Oben im Festspielhaus waren jüngere Wagnerfans tatsächlich vor allem bei der umstrittenen "Ring"-Inszenierung von Valentin Schwarz anzutreffen. Unter anderem auch ein Student aus Bratislava, der über Monate für eine "Siegfried"-Karte gespart hatte und bei seinem ersten Bayreuth-Besuch gerne die komplette Tetralogie gesehen hätte. So liegt der Altersdurchschnitt des Publikums womöglich nicht so sehr an der Monokultur des Repertoires, das ja gerade die Marke Bayreuth ausmacht. Denn auch wenn es in den Rängen eine überschaubar Zahl preisgünstiger Tickets gibt: Die Festspiele muss man sich auch leisten können. Oder sich als Ministerium ein subventioniertes Jugend-Kontingent leisten wollen.

Sendung: "Allegro" am 9. August 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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