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Unvergessene Helden Legendäre Tenöre – die Top Ten

Opernfans versinken gerne in Erinnerungen an die gute alte Zeit, in der alles besser war als heute. Mit hochroten Köpfen werden dann große Fragen erörtert – zum Beispiel: Wer sind die besten Tenöre gewesen? Verschiedene Namen wirbeln dabei durch die Luft. Unsere Auswahl der zehn besten Tenöre serviert einen Cocktail teils lyrischer, teils dramatischer, jedenfalls legendärer Stimmen.

Opernsänger Luciano Pavarotti - Tenor | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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(Die legendärsten Tenöre in chronologischer Reihenfolge.)

Beniamino Gigli (1890-1957)

Wer 1957 in der Zeitung las, mit welchem Pomp Beniamino Gigli zu Grabe getragen wurde, zweifelte kaum noch am Ruhm, den sich der Mann aus Recanati, einer Kleinstadt in der Region Marken, ersungen haben musste. Anfangs hatte der Schusterssohn noch Saxophon gespielt. An der römischen Accademia di Santa Cecilia verlieh man dem Diamanten in seiner Kehle den letzten Schliff. Gigli-Fans haben bis heute Cavaradossi vor Augen, den todgeweihten Maler aus Puccinis Oper "Tosca", denn die Memoiren des Tenors sind überschrieben mit "È lucevan le stelle – Und es blitzten die Sterne". In der Höhe strahlte die Stimme mit entwaffnender Leichtigkeit, der Ausdrucksradius war beträchtlich. Kein Wunder, dass seine Tondokumente noch heute ihre Aura haben.

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Beniamino Gigli E Lucevan Le Stelle Audio HQ

Franz Völker (1899-1965)

Was steckt alles in der Figur von Wagners Lohengrin? Sind es Züge eines nationalen oder eines künstlerischen Erneuerers – oder doch nur Züge eines Menschen, der beziehungstechnisch versagt? Die Gestalt des Schwanenritters ist zwar in dieser speziellen Einkleidung eine mittelalterliche Erfindung, reicht aber in mythische Ursprünge zurück. Der Bote aus einer anderen Welt muss unerkannt bleiben, weil er sonst seine übermenschlichen Fähigkeiten verliert oder sich wieder von den Menschen abwenden muss. Unter den unzähligen Tenören, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, in die glänzende Rüstung Lohengrins zu schlüpfen, ist Franz Völker hervorzuheben. Er wurde den lyrischen wie den dramatischen Momenten der Rolle gleichermaßen gerecht. Franz Völker war zu gefühlvoller Tongebung ohne sentimentale Drücker fähig, zu silbrigem Höhenglanz ohne martialisch dräuendes vokales Muskelspiel.

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Robert Heger, Franz Völker, Maria Müller & Margarete Klose Live: Wagner: Lohengrin (Berlin 1942)

Jussi Björling (1911-1960)

Schön zu singen und hart an der Musik arbeiten: Das sei das Alpha und das Omega, glaubte der Schwede Jussi Björling. Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre stand die Stimme im Zenit. An der Rampe positionierte er sich oft, geradezu demonstrativ bewegungsfaul. Aber welchen Tenor ließ er dabei erschallen! Die Helden Donizettis, Verdis und Puccinis hatten bei Björling stets mit Melancholie zu kämpfen, und doch kamen ihre metallischen Spitzentöne mit einer Leichtigkeit und Frische, dass man jedes Mal wieder von neuem an ein gutes Ende glauben wollte - für den Ausgang der Opernhandlung jedenfalls. Es soll Leute geben, die bei den erhaltenen Tondokumenten in eine Art Taumel geraten.  

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Jussi Björling - Una Furtiva Lagrima

Mario Lanza (1921-1959)

Alfredo Arnold Cocozza, wie er eigentlich hieß, wurde als Mario Lanza zum Mega-Star. Die mediale Vermarktung bescherte ihm eine Popularität, die in den USA während der 1950er Jahre nur mit der von Frank Sinatra vergleichbar war. Das Biopic "Der große Caruso" spielte im Kino Rekordsummen ein. In jungen Jahren war der Mann mit neapolitanischen Wurzeln in Philadelphia noch als Gemüseverkäufer unterwegs, als Lastwagenchauffeur und Transportarbeiter. Ob er nach seiner Entdeckung als Tenor nicht nur im Studio, sondern auch auf den Opernbühnen der Welt reüssiert hätte – darüber gehen die Meinungen auseinander. So sehr die einen von Timbre und Tragfähigkeit der Naturstimme schwärmen, so sehr schimpfen die anderen über seine mangelnde Musikalität, die fehlende Bereitschaft zur Differenzierung. Was fest steht, ist: Ohne Mario Lanza wäre die Gesangsgeschichte ein Stück ärmer.

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Mario Lanza Granada

Franco Corelli (1921-2003)

Der Mann aus Ancona präsentierte sich im Bewusstsein, dass er die Forderung nach der "physique du role", der "Rollengestalt", spielend zu erfüllen vermochte: durch das Aussehen eines Hollywood-Stars! Dem Ohr lieferte er portamento-selig angesteuerte, mit größter Effizienz explodierende, vor gestähltem Selbstvertrauen strotzende Spitzentöne. Die spanischen Untertitel der dokumentierten Bühnenaufführung passen zum spanischen Sujet von Verdis "Trovatore". Hier wusste Franco Corelli derart zu beeindrucken, dass sich niemand die Frage stellte, ob das hohe C am Ende der Stretta Manricos vom Komponisten überhaupt vorgesehen war. Es geht tatsächlich auf eine langjährige Aufführungstradition zurück, aber keineswegs auf die originale Partitur.

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Di Quella Pira (Il Trovatore) - Franco Corelli - Subtítulos en español

Carlo Bergonzi (1924-2014)

Der Ägypter Radamès wird von Verdi brutal in die Tragik des Geschehens geworfen: "Celeste Aida" ist der heißeste Kaltstart der Operngeschichte. Zuerst muss der Tenor schmetternden Trompeten gegenübertreten, danach den Tonfall von zarten Violinen und aparten Holzbläsern übernehmen. Aber bitte ohne Angst vor dem heiklen Spitzenton, in den die Arie mündet: Dieses hohe B soll nach einem Diminuendo "morendo / ersterbend" schließen! Nach einer Anstrengung klingt das bei Carlo Bergonzi überhaupt nicht. Zu den Markenzeichen des Sängers gehörte eine perfekte Atemtechnik, und er war ein überragender Phrasierungskünstler. Es gibt von ihm Interpretationen sämtlicher Verdi-Arien, denn Bergonzi fühlte sich aufgrund seiner Herkunft aus der Region Parma mit keinem Komponisten so innig verbunden wie mit Verdi.

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Carlo Bergonzi - Aida - Celeste Aida

Nicolai Gedda (1925-2017)

Als Schwede russischer Abstammung schrieb Nicolai Gedda Gesangsgeschichte. Überall bewunderte man die spielerische Eleganz und Anmut seiner Stimmführung, die technische Virtuosität und das Farbspektrum dessen, was Experten "voix mixte" nennen. Aus dem Skandinavier wurde ein Meister der Vokalkunst, der Musik und Wort perfekt auszubalancieren wusste. Angeborene oder anerzogene Nachdenklichkeit ging bei Gedda eine besondere Verbindung ein – mit hochseriösem Arbeitsethos. Nicht zufällig beherrschte er eine ungewöhnliche Vielzahl von Fremdsprachen.

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Nicolai Gedda - Che gelida manina (live)

Alfredo Kraus (1927-1999)

Es gibt Tenöre, die scheinbar nicht altern. Alfredo Kraus ließ seine Stimme über Jahrzehnte hinweg mit jugendlicher Frische erschallen. Er konzentrierte sich auf einen differenzierten Gesangsvortrag voller aristokratischer Noblesse. Da war jemand, der den Geheimnissen gefühlvoller Phrasierung auf den Grund ging. Und ein Prunkstück waren seine mühelosen Spitzentöne. Zum Beispiel in der Kavatine des 3. Aktes von Charles Gounods "Faust". Im gewählten Dokument kommen fünf Kulturräume zusammen: Der Sohn einer Spanierin und eines Österreichers interpretiert die französische Adaption eines deutschen Stoffes vor japanischem Publikum in Tokio (TV-Fassung einer Bühnenproduktion mit japanischen Untertiteln).

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Salut! demeure chaste et pure - Alfredo Kraus (Faust)

Fritz Wunderlich (1930-1966)

Blitzenden Charme wusste er mit elektrisierendem Elan zu kombinieren. Eine Extraportion Eleganz machte jede Musik, die Fritz Wunderlich zum Besten gab, hörenswert. Sein Musizieren bestach durch Leichtigkeit, strahlte schlicht und einfach Spaß aus. Den Naturburschen verleugnete dieser Vortragskünstler nie. Lebensfreude und tiefe seelische Empfindsamkeit haben sich unmittelbar auf das Publikum übertragen und es in ganz besonderer Weise berührt. Fritz Wunderlich bot aber auch ein gesangstechnisches Niveau vom Feinsten. Wohl kein Sänger vor oder nach ihm hat etwa Mozarts Prinz Tamino so glaubwürdig verkörpert.

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Fritz Wunderlich Recital: Mozart-Zauberfloete Tamino's Aria

Luciano Pavarotti (1935-2007)

Und noch eine Naturstimme, noch einmal verbunden mit dem Ausdruck echter Lebensfreude. Über eine unverwechselbar metallische Färbung verfügte der Modeneser Tenor Luciano Pavarotti. Auch sein Timbre war immer leicht wieder zu erkennen. Er gebot über eine fundierte Atemtechnik und Phrasierungskunst, vor allem aber eine brillante, perfekt polierte Höhe mit strahlkräftigen Spitzentönen, die wie Leuchtraketen abgefeuert wurden. Das hat seinen circensischen Reiz gehabt: als wären wir nicht in der Oper, sondern im Zirkus! Etwa in der mit neun hohen C’s gespickten Kavatine des Tonio aus Donizettis "Regimentstochter / La fille du régiment" - hier in einer umjubelten Studioproduktion.

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Pavarotti's Legendary High C 's

Kommentare (10)

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Mittwoch, 19.Februar, 15:09 Uhr

Petra Bergmann

Seltsame Auswahl

Da fehlen doch einige der ganz Großen: Caruso, di Stefano, Carreras, Domingo etc.
Ich finde eine solche geschmäcklerische Auswahl sehr fragwürdig und ziert BR-Klassik nicht wirklich ... Zudem gab es eine Auswahl der besten Tenöre gerade bei Klassik-Radio - wirkt also wie nachtarockt :-(

Mittwoch, 19.Februar, 12:45 Uhr

Grossmann, Peter

Tenoere

Ja, alle genanten sind ueberragende Sänger und selbstverständlich fehlen noch einige Tenoere. Ohne Caruso, Schipa, Domingo, Koslowski, auch Peter Scheier, Melchior.... sicherlich ist dabei auch wichtig auf ihre bedknderen Staerken zuberweise.

Montag, 17.Februar, 18:49 Uhr

Stephan Weber

Kein di Stefano?

Peinlich. Obwohl andere gute natürlich stimmen. Nummer EINS Fritz Wunderlich.

Montag, 17.Februar, 18:14 Uhr

Rolf

Große Tenöre

Ich vermisse ganz schmerzlich den
unvergleichlichen Giuseppe Giacomini!!
Er selbst fand die perfekte Technik für seine
baritonale dramatische Stimme heraus und verfeinerte sie zur absoluten Perfektion.
Wer ihn nicht kennt sollte es unbedingt nachholen.

Sonntag, 16.Februar, 18:31 Uhr

Josef wild

Beste Tenöre

Ich habe Fritz Wunderlich einmal live erlebt als belmonte in der Entführung. Er ist für mich der beste Mozart Tenor aller Zeiten

Sonntag, 16.Februar, 13:57 Uhr

Michael Lehmler

Frage

Warum fehlt Enrico Caruso?

Sonntag, 16.Februar, 13:21 Uhr

Isabella Gröger

Tenöre

Wo ist Rudolf Schock!!
Der beliebteste Deutsche Tenor.

Sonntag, 16.Februar, 11:29 Uhr

Michael Zimmermann

Meine weiteren Tenöre, die ich sehr schätze

Der Schreiber dieses Artikels beschreibt wirkliche Ausnahmesänger, die auch ich sehr schätze und liebe! Jeder dieser Sänger besitzt ausserordentliche Gaben, die verschieden sind, aber einfach einzigartig und für mich bewunderungswürdig sind, ja Begeisterung und Freude auslösen. Weitere Ausnahmesänger, die in diese Galerie von meinem Geschmack gehören: Enrico Caruso, John Mc Cormack, Joseph Schmidt, Richard Tauber, Rudolf Schock in den 50iger Jahren, Tito Schipa, Francesco Tamagno, Lauritz Melchior. Was für Stimmen und Künstler, wie dankbar ich für die Aufnahmen bin, die in der Vergangenheit aufgenommen wurden. Welch schöne Stunden ich damit schon erleben durfte!

Sonntag, 16.Februar, 10:41 Uhr

Karl-Josef

Sehr schön

Sehr schön

Sonntag, 16.Februar, 10:19 Uhr

karoly toth

Tenöre

Sie haben Guiseppe DiStefano vergessen,von dem Pavarotti sagte,er hat die schönste Stimme gehabt.

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