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Coon-Sanders original Nighthawk Orchestra Die ersten Radio-Stars des Jazz

Am 5. April 1924 hatten die Nighthawks ihr Plattendebut. Es wurde ein Hit. Der "Night Hawk Blues" bewarb ihre Sendung und damit ein brandneues Medium: den Rundfunk. Sie waren die erste Tanzband, deren Popularität ganz auf dem Radio beruhte. Und umgekehrt: Sie brachten das Radiohören in Mode.

The Coon-Sanders Nighthawks | Bildquelle: tom / The Old Masters

Bildquelle: tom / The Old Masters

Die ersten Jazzmusiker wurden durch Platten berühmt. So verkaufte die Bluessängerin Bessie Smith Millionen von Platten, als Sängerinnen noch nicht mit Videos promotet wurden und es noch keine Online-Magazine für populäre Musik gab. Für ihren Durchbruch mit dem "Down Hearted Blues" spielte das Radio 1923 noch keine Rolle. Nur erst ein Prozent der US-Haushalte hatte damals ein Radio. Erst von 1931 an besaß die Mehrheit ein Gerät. In den wilden 20er Jahren lernten die meisten Menschen Musik auf völlig andere Art kennen als heute. Musikbegeisterte gingen regelmäßig in Musikgeschäfte und blätterten die Noten-Stapel nach Songs durch oder ließen sie sich von den Angestellten am Klavier vorspielen. So auch der Schlagzeuger Carleton Coon 1918 im "Jenkins Music Store" von Kansas City: Er sang sich durch die neuesten Lieder; und ein anderer Kunde, der Pianist Joe Sanders, tat es ihm gleich. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft und Zusammenarbeit: Ihre fröhliche, optimistische Tanzmusik verkörperte geradezu den Geist der Goldenen 20er Jahre.

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Deep Henderson - Coon-Sanders' Original Nighthawk Orchestra (1926) | Bildquelle: Atticus Jazz (via YouTube)

Deep Henderson - Coon-Sanders' Original Nighthawk Orchestra (1926)

Anfänge zweier Musikfreunde

Sanders hatte in Kirchenchören, Opern und Oratorien gesungen, doch zeitweise sah es so aus, als würde seine besondere Begabung für Baseball ihn zum Pitcher machen. Aus dieser Zeit trug er den Spitznahmen "The Old Left-Hander". Erfahrungen sammelte er mit musikalischer Truppenbetreuung während des ersten Weltkriegs. Der aus Minnesota stammende Carleton Coon (auch Carlton geschrieben), war zuvor Chef der örtlichen Milchkontrolle in Kansas City. Die beiden leiteten kurzzeitig eine Agentur zur Vermittlung von Musikgruppen, bevor sie selbst eine gründeten, das Coon-Sanders Novelty Orchestra. Ihre erste Aufnahme 1921 war ein Erfolg, doch zur Sensation wurden sie, als ihre Band ab dem 5. Dezember 1922 live vom Sender WDAF übertragen wurde. Die Band hatte zwar keine herausragenden Solisten (daher auch die kurzen Soli), doch das Ganze war mehr als die Summe der Teile. Die beiden Bandleader sangen gutgelaunt, und Joe Sanders erwies sich als gewiefter Arrangeur und Komponist. Songs wie "Brainstorm", Hallucinations" and "Roodles" belegen dies.

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Roodles--Coon-Sanders Orch , 1927 | Bildquelle: Shellac City (via YouTube)

Roodles--Coon-Sanders Orch , 1927

Nachteulen

Die Auftritte von Coon und Sanders im Muehlebach Hotel in Kansas City wurden zwischen 23.30 und 01.00 Uhr übertragen. Der Moderator meinte einmal in einer der ersten Sendungen, dass zu dieser Zeit doch wohl nur "Nighthawks" zuhören würden. Das Wort bezeichnet im Englischen Nachtschwalben, wird aber im Sinne von Nachteulen oder Nachtschwärmern verwendet. Erstaunlicherweise trafen viele Zuschriften von Hörern ein, die bekannten, allesamt "Nighthawks" zu sein. Das gefiel den beiden Leitern so gut, dass sie ihre Band in Coon-Sanders Original Nighthawk Orchestra umbenannten. Tatsächlich wurden die Sendungen 1924 von 37.000 registrierten Fans gehört und nicht nur von diesen, weit über Kansas City hinaus. Modern war auch die Methode, auf Anrufe, Briefe und Telegramme mit Hörerwünschen – ähnlich wie heute mit Mails und Chats – live zu reagieren. Die Bandleader nahmen die Fernschreiben direkt zwischen Sanders' Klavier und Coons Schlagzeug entgegen. In ihrem mitreißenden "Night Hawk Blues", der ein Hit in den Charts wurde, fordern sie auf: "Schaltet das Radio an, schickt ein Telegramm und sagt 'Hallo'."

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NIGHTHAWK BLUES: Coon Sanders Nighthawks, May 1924. | Bildquelle: AusRadioHistorian (via YouTube)

NIGHTHAWK BLUES: Coon Sanders Nighthawks, May 1924.

Eine Blutvergiftung und das Ende der Band

Obwohl sie Pioniere des Kansas City Jazz waren, wurde noch 1924 Chicago zu ihrem zweiten Zentrum. Dort hatten sie besonders viele Hörer, als sie von 1926 bis 1930 in den Wintermonaten aus dem Blackhawk Restaurant sendeten. Dabei hatte der vierjährige Mel Tormé sein erstes professionelles Engagement als Sänger. Tourneen führten im Sommer in verschiedene Städte. Alle Bandmitglieder fuhren das gleiche Auto, doch jeder in einer anderen Farbe, was schon ihre Ankunft zum Spektakel machte. Diverse Sender strahlten nun ihre Programme live aus, NBC sogar in den ganzen USA, wo zwischen Atlantik und Pazifik in den eigenen vier Wänden nach ihrer Musik getanzt wurde. Die Hörer genossen es, dem anfangs noch relativ exklusiven Radiogenuss nachzugehen. In den sieben Jahren des Erfolges hatten sie zehn Hits. Doch gerade kurz vor der Blütezeit des Radios, in den 30er Jahren, als der Rundfunk von der Schallplattenindustrie als echte Bedrohung empfunden wurde und Orchesterleiter wie Benny Goodman wie Kinostars verehrt wurden, endet die Erfolgsgeschichte dieser Pioniere. Die Besetzung war fünf Jahre lang stabil gewesen, und ein Plattenvertrag für 15 Jahre lag auch vor, als bei Coon ein Abszess entfernt wurde. Er starb an einer Blutvergiftung, die er sich bei der Operation zugezogen hatte. Sanders versuchte ein knappes Jahr lang, die Band zusammenzuhalten, doch der Zauber entfaltete sich nur im Doppelpack, jedenfalls gaben sich die Hörer nicht mit einem von beiden zufrieden. 1933 löste Sanders, der noch bis 1965 lebte, die Nighthawks auf, und auch seine späteren Bands sind vergessen.

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78rpm: Hallucinations - Coon-Sanders Orchestra, 1927 - Victor 21397 | Bildquelle: SwingMan1938 (via YouTube)

78rpm: Hallucinations - Coon-Sanders Orchestra, 1927 - Victor 21397

Was bleibt?

Die Nighthawks machten genug Platten, damit man sich heute ein Hörbild von ihnen machen kann. Und dennoch waren sie beim Aufnehmen nicht besonders fleißig. All ihre Platten passen auf gerade mal vier CDs. In den Jahren 1930 und 1931 machten sie wegen Streitigkeiten mit ihrer langjährigen Plattenfirma Victor gar keine Platten. Nur ein längerer Rundfunkmitschnitt scheint überlebt zu haben. Die Aufnahme von 1929 zeigt, welche gebannte Ladung guter Laune die Leute so spät noch am Radio hielt. Noch 100 Jahre später ist die Geisterstunde auf vielen Sendern die Stunde des Jazz.

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Maytag's Frolics (1929 Radio Broadcast) | Bildquelle: The1920sChannel (via YouTube)

Maytag's Frolics (1929 Radio Broadcast)

Sendung: 28. März 2024: Eine Chronik des Jazz (40): "Night Hawk Blues" – Aufnahmen vom März und April 1924. Moderation: Benedikt Schregle. Manuskript und Auswahl: Marcus A. Woelfle

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