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Fletcher Hendersons Teapot Dome Blues US-Politikskandale in Jazz-Titeln

Mit dem "Tea Pot Dome Blues" hält 1924 hält ein neues Genre im Jazz Einzug: Stücke, die mit ihrem Titel auf aktuelle politische Skandale hinweisen.

Fletcher Henderson  | Bildquelle: picture alliance/United Archives | 91050/United_Archives/TopFoto

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Den "Teapot Dome Blues" komponierte Elmer Schoebel, der Pianist der New Orleans Rhythm Kings, der mit Songs wie "Bugle Call Rag", "Nobody’s Sweetheart Now", "Farewell Blues" und "Copenhagen" auch viele Standards schuf. "Teapot Dome" (Teekessel) war der Name eines Skandals während der Amtszeit von Präsident Harding. Im Jahr 1923 ergab eine Untersuchung des Senats, dass Innenminister Albert Fall den Marineminister Edwin Denby dazu überredet hatte, die Ölreserven der Marine in Elk Hills, Kalifornien, und Tea Pot Dome, Wyoming, an das Innenministerium zu übertragen. Anschließend verpachtete Fall die Reserven ohne Ausschreibung an die privaten Ölproduzenten E. L. Doheny und Harry Sinclair. Für seine Hilfe bei der Vermittlung der Pachtverträge erhielt Fall hohe Geldsummen: 100.000 Dollar von Doheny für Elk Hills und 300.000 Dollar von Sinclair für Tea Pot Dome. Der Skandal zwang Fall und Denby zum Rücktritt aus Hardings Kabinett, und Fall wurde später wegen der Annahme von Bestechungsgeldern verurteilt.

Warum Teekessel?

Was das alles mit einem Teekessel zu tun hat? Der nahe beim Ölfeld gelegene Teapot Rock ist eine markante Sedimentgesteins-Formation, die früher wie ein Teekessel aussah. Von Elmer Schoebel selbst ist keine Aufnahme des "Teapot Dome Blues" bekannt: die erste überlieferte spielte Fletcher Henderson mit seinem Club Alabam Orchestra am 14. April 1924 ein.

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Tea Pot Dome Blues - Fletcher Henderson and His Club Alabam Orchestra (1924) | Bildquelle: JAZZBO (via YouTube)

Tea Pot Dome Blues - Fletcher Henderson and His Club Alabam Orchestra (1924)

Fletcher Henderson und der "Teapot Dome Blues"

Bald sollte Fletcher Hendersons Orchester eine überragende Spitzenposition unter den New Yorker Jazzbands einnehmen – der Kornettist Louis Armstrong wurde im Laufe des Jahrs 1924 zum Starsolisten bei der Band. Henderson war es gelungen, den jungen "Satchmo" von "King Oliver's Creole Jazz Band" abzuwerben. Doch schon vor dieser Zeit hatte das Orchester wegweisende Größen in den eigenen Reihen. Darunter: Coleman Hawkins, der Vater des Tenorsaxophons im Jazz. Seine Spielweise war bald für die anderen Tenorsaxophonisten vorbildlich und verschaffte dem Instrument eine Vorrangstellung in der Swing-Ära. Diese Ära wurde maßgeblich von dieser Band vorbereitet, unter anderem von Don Redman, der den "Teapot Dome Blues" für die Band einrichtete. Er war einer der ersten großen Jazzarrangeure, einer der Schöpfer des Bigband-Sounds, der die Swing-Ära zehn Jahre später dominieren sollte.

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Teapot Dome Blues (Take A) by Georgia Melodians, 1924 | Bildquelle: Joe Marx (via YouTube)

Teapot Dome Blues (Take A) by Georgia Melodians, 1924

Eine Version für Edison

Die zweite Version des "Teapot Dome Blues" stammt von den Georgia Melodians. Sie erschien auf der Plattenmarke des berühmten Erfinders Thomas Alva Edison, der Jazz nicht ausstehen konnte. Dabei trug er als Pionier der Aufnahmetechnik besonders zur Verbreitung des Jazz bei. Seit 1960 gibt es sogar einen Edison Preis. Als erste Jazzmusiker konnten sich Thelonious Monk und John Coltrane den Preis ins Regal stellen, eine kleine Statue des Erfinders, der meinte, Jazz klinge besser, wenn man ihn rückwärts abspiele. Immerhin war er Geschäftsmann genug, dem Jazz in seiner Plattenfirma Platz einzuräumen. Oft hatten seine Schellacks sogar eine deutlich längere Spielzeit als die von der Konkurrenz.

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The Heath Brothers - The Watergate Blues | Bildquelle: Erlendur Svavarsson (via YouTube)

The Heath Brothers - The Watergate Blues

Von Watergate bis Lewinsky

Einige Jahrzehnte gingen ins Feld, bevor ein politischer Skandal auf einem Jazztitel nichts Ungewöhnliches war. Der Watergate-Skandal inspirierte eine Handvoll verschiedener Stücke, von denen der "Watergate Blues" des darin Cello spielenden Bassisten Percy Heath ein mitreißender Ohrwurm ist. Die Aufnahme entstand mit Heaths Brüdern, dem Flötisten Jimmy und dem am 3. April 2024 verstorbenen Schlagzeuger Al "Tootie" Heath. Oft ist der Zusammenhang zum politischen Geschehen nur durch den Titel gegeben und überhaupt nicht erahnbar – selbst bei einem Künstler wie Charles Mingus, der oft auf politisches Versagen und gesellschaftliche Missstände durch Titel hinwies, ohne dass dies den Charakter der Musik bestimmte. Ein jüngeres Beispiel ist Rabih Abou-Khalils "Lewinsky March" bei dem wohl kaum noch jemand an die längst vergessene außereheliche Beziehung von Präsident Bill Clinton zu seiner Praktikantin Monika Lewinsky denkt.

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Rabih Abou-Khalil ربيع أبو خليل - The Lewinsky March (HD) | Bildquelle: RabihAbouKhalilChann (via YouTube)

Rabih Abou-Khalil ربيع أبو خليل - The Lewinsky March (HD)

Sendung:

9. Mai 2024: Chronik: Eine Chronik des Jazz (42): ”Riverboat Shuffle” – Aufnahmen vom Mai 1924. Moderation: Benedikt Schregle. Manuskript und Auswahl: Marcus A. Woelfle

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