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Verstorbene des Jahres 2024 Um sie trauerte die Musikwelt

Charismatische Dirigenten, einer der berühmtesten Pianisten unserer Zeit, drei Komponisten von Weltrang, ein begnadeter Cellist, eine singende Alleskönnerin und auch Jazzlegenden – in diesem Jahr erreichten die Musikwelt wieder einige traurige Nachrichten. Hier eine kleine Erinnerung an große Künstlerinnen und Künstler.

Pianist Maurizio Pollini | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Seiji Ozawa (1. September 1935 - 6. Februar 2024)

Seiji Ozawa | Bildquelle: picture alliance/AP Images | Kenichi Matsuda Bildquelle: picture alliance/AP Images | Kenichi Matsuda Die präzise Schlagtechnik, die absolute Präzision in Termpo und Dynamik, die klangliche Brillanz – das alles hat ihm sein Lehrer Herbert von Karajan beigebracht; die Menschenfreundlichkeit war ihm angeboren. Sie hat er auch bei Leonard Bernstein gefunden, bei dem er ein Jahr studiert hat. Vom "goldenen Herzen" des japanischen Dirigenten Seiji Ozawa, von seiner strahlenden Freundlichkeit schwärmt die Geigerin Anne-Sophie Mutter. Ozawas Motto: "Technik ist wichtig, ja – aber noch wichtiger ist die Frage: Was bist du für ein Mensch?" Bei den Spitzenorchestern der Welt hat er Triumphe gefeiert; seine wenigen Opernproduktionen waren umjubelte Ereignisse. Als Direktor der Wiener Staatsoper hat er seine lange Karriere beendet.

Aribert Reimann (4. März 1936 - 13. März 2024)                        

Aribert Reimann | Bildquelle: picture alliance / dpa | Jens Kalaene Bildquelle: picture alliance / dpa | Jens Kalaene Im Münchner Festspielsommer 1978 stellt ein Auftragswerk der Bayerischen Staatsoper die Musikwelt auf den Kopf: Aribert Reimanns "Lear", Shakespeare finsterster Stoff, den Giuseppe Verdi so gern vertont hätte. Reimann wird mit diesem Uraufführungstriumph zum führenden Komponisten der Gegenwart. Vokalmusik hat den Sohn einer Sängerin und eines Kirchenmusikers schon als Kind gepackt. Mit zehn Jahren steht er singend auf der Bühne, zur selben Zeit schreibt er seine ersten Werke. 2011 wird ihm der Ernst-von-Siemens-Musikpreis verliehen. Um die Vokalmusik kommt Reimann bis zum Schluss nicht herum: "Die Stimme kommt immer wieder in mir hoch, auch wenn ich nicht für Stimme schreibe."

Maurizio Pollini (5. Januar 1942 - 23. März 2024)

Pianist Maurizio Pollini | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Er hatte immer Angst, nur für seine kühnen, weltschmerzfernen Chopin-Interpretationen in Erinnerung zu bleiben. Dabei war das Engagement für die Moderne doch sein zweites Markenzeichen: Jahr für Jahr hat der aristokratische Kommunist aus Mailand über Jahrzehnte hinweg seinem Salzburger Festspielpublikum Klaviermusik von Arnold Schönberg und Co "zugemutet", bevor es sich bei Beethoven entspannen konnte. Als er zu Beginn seiner Karriere in seiner Heimatstadt mit Chopin gastiert, will er erst über den verheerenden Vietnamkrieg reden – und wird niedergeschrien. Maurizio Pollini – herausragender Künstler und unbeirrbarer homo politicus.

Peter Eötvös (2. Januar 1944 - 24. März 2024)

Péter Eötvös im Februar 2023 | Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com | Karl Schöndorfer Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com | Karl Schöndorfer "Als ich vier Jahre alt war, da habe ich schon komponiert. Das kam einfach so: Noten schreiben, Buchstaben schreiben, zur Schule gehen, Klavier spielen. Das gehört zu meinem Leben", hat Péter Eötvös mal gesagt. Im  ungarischen Teil Transsylvaniens kommt er zur Welt. Die Grenzen sind eng, sein Hunger nach westlicher Musik ist groß. Stockhausen, Boulez und Anton Webern faszinieren ihn; Miles Davis auch. Und aus seiner Heimat Bela Bartok. Zoltán Kodály ist sein Lehrer; die Tür zur deutschen Avantgarde öffnet ihm in den 1970er Jahren ein Stipendium. Eine Sensation ist 1998 die Uraufführung seiner Oper "Drei Schwestern" nach Tschechow. Mit seiner bildhaften Sprache, seinem Gespür für Instrumentation und seiner Experimentierlust begeistert er Kritik und Publikum. Seine Offenheit im Denken ist grenzenlos: "Man wird durch jede Form von Kultur geprägt. Und ich wäre glücklich, wenn ich am Ende meines Lebens das Gefühl hätte, die Welt durch mich hindurchgelassen zu haben und dass etwas hängen geblieben ist in mir wie in einem Sieb."

Wolfgang Rihm (13. März 1952 - 27. Juli 2024)

ARCHIV - 28.02.2022, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Der Komponist Wolfgang Rihm sitzt an einem Flügel in seiner Wohnung. Am 13.03.2022 wird Rihm 70 Jahre alt. (Zu dpa «Musik ist Leben» - Der Komponist Wolfgang Rihm wird 70) Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Uli Deck Bildquelle: dpa-Bildfunk/Uli Deck Mit 22 Jahren (da komponiert er schon ein Jahrzehnt lang) feiert Wolfgang Rihm seinen Durchbruch, 1974 bei den Donaueschinger Musiktagen. Arnold Schönberg und Anton Webern sind seine Fixsterne; das Kompositionshandwerk erlernt er bei Karlheinz Stockhausen. Er ist Musiker und Kulturpolitiker - als Mitglied des Deutschen Komponistenverbands, des Deutschen Musikrats und des GEMA-Aufsichtsrates. Mit seinen über 500 Werken gehört er zu den meistgespielten Komponisten unserer Zeit. International Furore machen seine Opern "Die Eroberung von Mexico" und "Jakob Lenz" sowie "Die Hamletmaschine" nach einem Text von Heiner Müller.

Martial Solal (23. August 1927 – 12. Dezember 2024)

Pianist Martial  Solal | Bildquelle: TJ Krebs Bildquelle: TJ Krebs Mehr als hundert Alben hat er aufgenommen - solo, im Duo, im Trio und mit großer Bigband: Martial Solal. In Algier ist er 1927 in eine jüdische Familie hineingeboren worden. Klavierspielen hat ihm seine Mutter, eine Opernsängerin, beigebracht. Mit Anfang 20 macht er sich auf nach Paris, wird Pianist im Club Saint-Germain, einem legendären Jazz-Tempel. Schnell macht er sich einen Namen, begleitet Dizzie Gillespie, Sidney Bechet und Sonny Rollins – und bald wird er herumgereicht, eingeladen, gefeiert. In Frankreich und in der ganzen Welt. Sein Geheimnis: eine perfekte Technik – und die Befreiung davon. Und dazu das, was der Franzose "esprit" nennt – leichtfingrige Brillanz und funkelnder Witz. "Das, was man sagen möchte, kann man nur mit einer guten Technik aussagen. Wenn du freilich Sklave deiner Technik bist, kannst du keine gute Musik machen." Martial Solal wird der Komponist der Nouvelle Vague – für Luc Godard schreibt er die Musik zum Film "A bout de souffle". 2019 gibt er in Paris sein letztes Konzert, erst vor kurzem ist seine Autobiografie erschienen. Mit 97 Jahren stirbt Martial Solal, einer der größten Jazzpianisten unserer Zeit – in Versailles.

Andrew Davis (2. Februar 1944 – 20. April 2024)

Dirigent Sir Andrew Davis im Alter von 80 Jahren verstorben | Bildquelle: Lucas Dawson Bildquelle: Lucas Dawson Am 20. April 2024 stirbt mit 80 Jahren der britische Dirigent Andrew Davis, über ein Jahrzehnt lang Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra. Er ist nicht nur eine leidenschaftliche Galionsfigur der britischen Musik am Pult vieler großer Orchester der Welt, er ist auch ein begnadeter Musikvermittler – als witzig-kundiger Moderator der Londoner Konzertreihe "The Last Night of the Proms".

Leif Segerstam (2. März 1944 – 9. Oktober 2024)

Leif Segerstam | Bildquelle: © wikimedia commons Bildquelle: © wikimedia commons Lange weiße Haare, weißer Rauschebart, hünenhafte Statur  – das war der Finne Leif Segerstam, international gefragter Dirigent und Schöpfer von sagenhaften 350 oft bombastischen Sinfonien. Zitat: „Ich stecke voller Musik – bis in den Fingernagel des kleinen Fingers.“ Dirigieren könne man seine Kompositionen eigentlich nicht, denn dazu bräuchte man „so viele Arme wie ein Tintenfisch“. Segerstam stand, wenn er nicht dirigiert oder komponiert hat, gern in seiner Küche, um süße und salzige Blätterteig-Kunstwerke zu zaubern. Am 9. Oktober ist er mit 80 Jahren in Helsinki gestorben.

Antonio Meneses (23. August 1957 – 3. August 2024)

Der Cellist Antonio Meneses | Bildquelle: Marco Borggreve Bildquelle: Marco Borggreve 1957 kommt Antonio Meneses im brasilianischen Recife zur Welt, als ältester von fünf Brüdern. Alle Kinder spielen ein Streichinstrument, bei Antonio wird es das Cello. Zum Studieren geht er nach Europa, 1977 gewinnt er den Ersten Preis beim internationalen ARD-Musikwettbewerb in München, es ist der Beginn einer glanzvollen Weltkarriere. Unermüdlich setzt er sich für die Musik seiner Heimat ein. Ein Höhepunkt ist die Einspielung des Gesamtwerks für Cello von Heitor Villa-Lobos. Legendär sind seine Auftritte und Aufnahmen als Mitglied des Beaux-Arts-Trios. Am 3. August 2024 stirbt Antonio Meneses mit 66 Jahren an den Folgen eines Gehirntumors.

Sérgio Mendes (11. Februar 1941 – 5. September 2024)

Sergio Mendes mit dem Ensemble "Brasil 66" im Mai 1970 in der Philharmonie Berlin. | Bildquelle: picture alliance / Sammlung Richter | Sammlung Richter Bildquelle: picture alliance / Sammlung Richter | Sammlung Richter Nur einen Monat später erfährt die Musikwelt vom Tod des brasilianischen Jazzmusikers und Pianisten Sérgio Mendes, König der Samba und der Bossa Nova. Nach einer klassischen Klavierausbildung in Rio de Janeiro zieht er nach Los Angeles. In Amerika sind Frank Sinatra, Stevie Wonder und auch Justin Timberlake seine musikalischen Partner. Weltberühmt wird er mit seinem Hit "Mas que Nada". Sérgio Mendes stirbt am 5. September 2024; er wird 83 Jahre alt.   

Joe Viera (4. September 1932 – 7. April 2024)

Joe Viera | Bildquelle: IG Jazz Burghausen Bildquelle: IG Jazz Burghausen Er war der "Jazzprofessor", der gutgelaunte Musiker, Komponist, Arrangeur, Dozent und Buchautor mit Vorliebe für karierte Jacketts – und der Vater der Jazzwoche Burghausen: der gebürtige Münchner Joe Viera. Über 70 Jahre hat sein aktives Musikerleben gedauert – am 7. April 2024 ist Joe Viera mit 91 Jahren gestorben.

Quincy Jones (4. März 1933 – 3. November 2024)

Quincy Jones | Bildquelle: picture alliance/AP Photo | Chris Pizzello Bildquelle: picture alliance/AP Photo | Chris Pizzello 91 Jahre alt wurde auch Quincey Jones. Bekannt als Trompeter – und weltberühmt als Mann hinter den größten Erfolgen von Stars wie Aretha Franklin, Ray Charles und Frank Sinatra. Mit "Thriller" von Michael Jackson produziert Jones 1982 das erfolgreichste Album aller Zeiten. Drei Jahre später trommelt er fast 50 Superstars zusammen, um mit dem Song "We are the world" Spenden in dreifacher Millionenhöhe für die hungernde Bevölkerung in Äthiopien zu sammeln. Quincey Jones stirbt am 3. November 2024.

Caterina Valente (14. Januar 1931 – 9. September 2024) 

Caterina Valente am 01.02.2001 | Bildquelle: picture alliance / PublicAd | PARC Bildquelle: picture alliance / PublicAd | PARC "Sie machte, was sie wollte. Und warum? Weil sie es konnte." Das steht über einem Nachruf für Caterina Valente, die "größte Sängerin aller Genres". Die gebürtige Pariserin war eine begnadete Jazz-Interpretin, konnte tanzen, Gitarre spielen, war in Filmen und in ihren eigenen Fernsehshows zu sehen und sang in 13 verschiedenen Sprachen. Sechs davon beherrschte sie fließend. In Amerika hatte sie zahlreiche Gastauftritte in den Shows von Bing Crosby, Dean Martin und Perry Como. Der Durchbruch in Deutschland gelang ihr 1954 – mit "Ganz Paris träumt von der Liebe".  Seit dem 9. September 2024 trauert die Musik um eine weltumarmende Weltbürgerin.

Kommentare (3)

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Montag, 16.Dezember, 12:54 Uhr

Beate Schwärzler

Die uns verlassen haben übers Jahr.

Noch habe ich all die Nachrufe nicht gelesen.

Nur geschaut, wer...

Später dann - doch, ich werde all die Würdigungen lesen.
Weil ich w e i ß, daß Michael Atzinger feine Worte findet.
Weil man sich d a auf ihn verlassen kann.

Samstag, 14.Dezember, 17:08 Uhr

Jagen akon

Reaktion

Ja danke traurig,wenn man älter wird,61j.dann fängt irgendwann,familie,freunde, un dann auch die kultur musikschaffenden an zu verlassen,die ein sehr begleiteteten.die man für ihr wesen,schaffen liebte..im kontext der jeweiligen epoche..und mitwelt..
Dsnke ihr lieben ,seid gesegnet und guten flug
Da wo ihr erlöst und glücklich seid..
Akon

Samstag, 14.Dezember, 15:26 Uhr

Elisabeth Hoffmann

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